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Solidarität mit Ukraine-Flüchtlingen: Aargauerinnen und Aargauer sammeln Hilfsgüter und bringen sie selber an die Grenze

Laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk fliehen fast 400'000 Menschen vor dem Krieg in der Ukraine. An den Grenzen zu Polen, Ungarn, der Slowakei und Rumänien warten die Flüchtlinge zum Teil tagelang in der Kälte. Im Aargau löst das Schicksal der ukrainischen Kriegsvertriebenen eine grosse Solidaritätswelle aus. 

«Ich habe gesehen, dass es Leute gibt, die Hilfe für die ukrainischen Flüchtlinge organisieren wollen und spontan entschieden, sie zu unterstützen.» Das sagt Michael Wiesmann, reformierter Pfarrer der Stadt Aarau, der sich auf Twitter als «Sammelpunkt Mittelland» für Hilfsgüter anbietet. Wiesmann steht im Kontakt mit anderen Freiwilligen, am Mittwoch werden erste Hilfsgüter dieser Gruppe bei der ukrainischen Botschaft in Bern angeliefert.

«Bei mir haben sich schon diverse Leute gemeldet, die Material spenden wollen, gefragt sind vor allem Medikamente, Verbandsmaterial, aber auch Windeln, Matten und Schlafsäcke,» sagt Wiesmann. Von seinem Beruf her könne er die Funktion der Sammelstelle übernehmen: «Ich bin häufig vor Ort hier im Pfarramt, ansonsten kann auch jemand vom Sekretariat eine Spende entgegennehmen.»

Michael Wiesmann ist der neue Aarauer Stadtpfarrer – er engagiert sich bei der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge.

Die ersten privat zugesagten Hilfsgüter treffen am Montagnachmittag bei ihm ein, wer Material spenden möchte, kann sich bei Wiesmann per Mail melden: michael.wiesmann@icloud.com. «Es ist nur eine kleine und spontane Aktion, ich engagiere mich so, wie es mir möglich ist, aber ich glaube, Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine wird noch lange nötig sein.»

Café-Betreiberin aus Oberentfelden sammelt Hilfsgüter

Hilfsgüter für die Ukraine sammelt auch Janice Briner, die in Oberentfelden das Café Filigran betreibt. Über einen Instagram-Post sucht Briner saubere Wolldecken, Schlafsäcke, Isolations- und Gymnastikmatten sowie Verbandsmaterial.

Die Café-Betreiberin nimmt die Ware bis Mittwoch im Café entgegen und übergibt sie ihrer Kollegin Ruth Widmer, die sich schon seit Jahren in einem Kinderhilfswerk für die Ukraine engagiert. Briner hofft, dass ein Lastwagen mit Hilfsgütern bereits Ende Woche an die Grenze fahren kann.

Widmer sagt, das Hilfswerk betreibe in Sarny im Nordwesten der Ukraine eine Mission, dort würden zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen. Laut der Website des Kinderhilfswerks, das seinen Sitz im deutschen Wehr jenseits des Rheins bei Möhlin hat, sind Transporte über die Grenze derzeit sehr schwierig. Wer den Kindern in der Ukraine helfen will, tut dies laut Ruth Widmer am besten mit einer Spende ans Hilfswerk.

«Licht im Osten» mit drei Sammelstellen im Aargau vertreten

Die Organisation «Licht im Osten», die zusammen mit lokalen Partnern seit Jahren in Osteuropa Hilfe leistet, betreibt im Aargau drei Sammelstellen. Eine davon ist in Zofingen, verantwortlich ist Thomas Piller, der selber schon 16-mal für Verteilaktionen von Hilfsgütern in der Ukraine war. «Ich habe nur ein kleines Lager, aber wenn es Leute aus der Umgebung gibt, die Hilfsgüter spenden möchten, können sie mich gern kontaktieren», sagt er.

Thomas Piller, Leiter der Sammelstelle Zofingen von Licht im Osten, hier bei der Verteilung von Weihnachtspaketen in Osteuropa.

Gesucht seien derzeit vor allem warme Kleider und Schuhe für Kinder und Erwachsene, dazu auch Babysachen, sagt Piller, der für Anfragen unter 079 656 11 68 zur Verfügung steht. Zwei weitere Sammelstellen von Licht im Osten im Aargau gibt es in Oberflachs (verantwortlich: Markus Müller, 056 443 20 49 und in Schmiedrued (verantwortlich: Nadine Stalder, 079 539 28 36, nadinestalder@bluewin.ch).

Wenn die lokalen Lager voll sind, werden die gesammelten Hilfsgüter in die Zentrale von Licht im Osten nach Frauenfeld transportiert. «Von dort aus wird dann der Transport an die ukrainische Grenze mit Lastwagen durchgeführt», wie Thomas Piller erklärt. Derzeit sei die Planung rollend, der Zeitplan für den ersten Konvoi noch offen.

«Volunteers for Humanity» sammeln Hilfsgüter in Aarau

Eine grössere Sammelaktion für ukrainische Flüchtlinge führt die Organisation «Volunteers for Humanity» durch. Am Freitag, 4. März, von 17 bis 19 Uhr und am Samstag, 5. März, von 9 bis 12 Uhr werden im Zeughaus Aarau an der Rohrerstrasse 7 verschiedene Hilfsgüter gesammelt, wie es in einem Facebook-Post heisst.

Abgegeben werden können Schlafsäcke, Isomatten, Woll- und Fleecedecken, Windeln, Feuchttücher und Damenbinden. Das gesammelte Material wird laut Angaben von «Volunteers for Humanity» ab dem 7. März mit Transporten der Partnerorganisationen Remar und Osteuropahilfe an die ukrainische Grenze gebracht.

Präsidentin von «Volunteers for Humanity» ist Marit Neukomm, die für ihr Engagement zu Gunsten von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos von der damaligen NAB 2016 als Aargauerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Nach mehrjährigem Engagement in Griechenland und entlang der Balkanroute hatte sich der Verein seit 2018 auf die Lieferung von medizinischem Hilfsmaterial in Kriegs- und Krisengebiete spezialisiert.

Marit Neukomm – hier bei der Einweihung einer mobilen Zahnklinik in einem Flüchtlingslager in Serbien – und ihr Hilfswerk Volunteers for Humanity werden auch in der Ukraine-Hilfe aktiv.

Während der Pandemie ging die Organisation eine Kooperation mit der Osteuropahilfe ein, um medizinische Hilfsgüter zielgerichtet einsetzen zu können. «Deshalb können wir jetzt schnell auf die Situation reagieren und die Zusammenarbeit mit der Osteuropahilfe intensiveren. Unsere Partner sind in der Region bestens vernetzt und können die Hilfsgüter dort abliefern, wo sie am dringendsten benötigt werden», so Neukomm in einer Mitteilung.

«Zurzi hilft»: Gruppe sammelt und will Material nach Polen bringen

Eine Gruppe von drei Personen hat in Bad Zurzach einen Aufruf gestartet. Unter «Zurzi hilft» werden Kleider, Decken, Schlafsäcke und Windeln entgegengenommen. Abgegeben können die Sachen bei Mitinitiant Josef Haus (Agentur Axa, Hauptstrasse 29b, 5330 Bad Zurzach, 079 358 82 00). «Wir wollen so schnell wie möglich mit dem Material Richtung polnische Grenze losfahren», sagt Haus.

Josef Haus ist einer der Initianten der Gruppe «Zurzi hilft». 

Für den Transport vorgesehen ist ein Lastwagen der Mauchle Getränke in Bad Zurzach. «Wenn alles nach Plan klappt, wird sich der Camion am Donnerstag auf den Weg machen», so Haus. Man sei daran, mit den zuständigen Leuten vor Ort in Kontakt zu treten, um die Hilfe zu koordinieren. Um möglichst viele Personen zu erreichen, werden am Dienstag in den Läden in Bad Zurzach noch zusätzlich Flyer verteilt.

Familienvater aus Seon fährt Ende Woche an die ukrainische Grenze

Steffen Machemehl aus Seon will mit Hilfsgütern an die polnisch-ukrainische Grenze fahren.

Steffen Machemehl aus Seon will Ende Woche mit seinem Familienvan nach Polen an die ukrainische Grenze fahren. «Ich muss mit meinem Chef noch klären, wann ich frei bekomme, aber ich möchte unbedingt selber helfen», sagt er. Machemehl war früher Berufschauffeur, hatte eine ukrainische Freundin und hat das Land auch bereist, so war er in Odessa am Schwarzen Meer.

«Zudem bin ich Familienvater und wenn ich jetzt sehe, wie Mütter mit ihren Kinder vor dem Krieg flüchten, dann muss ich einfach etwas tun», sagt er. Machemehl will Babysachen und Kinderkleider mitbringen – und allenfalls auch Flüchtlinge chauffieren, die nach Westeuropa wollen. «Ich wäre auch bereit, eine Familie mit in die Schweiz zu nehmen, wenn sich hier jemand bereit erklärt, sie bei sich unterzubringen», sagt Machemehl.

Lengnauer Fahrschule bringt Hilfsgüter an ungarisch-ukrainische Grenze

Auch die Lengnauer Fahrschule Tommer engagiert sich mit einer Aktion für die Ukraine. Am Samstag und Sonntag, jeweils von 8 bis 12 Uhr, können Hilfsgüter vor Ort abgegeben werden. Angenommen werden Kleider für Babys, Kinder und Erwachsene, Schlafsäcke, Decken und Kissen, aber auch Spielsachen für Kinder und Energieriegel.


Die gespendeten Hilfsgüter werden danach zusammen mit dem Rotary-Club Ungarn in den Osten transportiert und direkt an einem Grenzübergang zur Ukraine den Bedürftigen übergeben.

Schweiz fliegt am Dienstag 15 Tonnen Hilfsgüter nach Polen

Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) gibt auf Anfrage keine Empfehlungen zu privater Hilfe für ukrainische Flüchtlinge an den Grenzen von Polen, Rumänien, Ungarn oder der Slowakei ab. Alle privaten Hilfskanäle hätten ihre Berechtigung, es sei der Bevölkerung überlassen, wie sie ihre Solidarität zeigen wolle, teilt das Departement mit. Auch zu konkreten Fragen zu Anlaufstellen und Kontakten für private Helfer an der ukrainischen Grenze äussert sich das EDA nicht.

Bereits am Dienstag liefert die Schweiz rund 25 Tonnen Hilfsgüter im Wert von 400’000 Franken in die polnische Hauptstadt Warschau. Dies ist ein Teil des ersten Hilfspakets im Wert von acht Millionen Franken. Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) stellt dringend benötigte medizinische Güter und Arzneimittel aus der Armeeapotheke zur Verfügung. Die Hilfsgüter sind für die ukrainische Bevölkerung in der Ukraine und in den Anrainerstaaten vorgesehen. Die Hilfslieferung wird durch Mitarbeitende des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe begleitet.