
Rüge für Berner Justiz: Bundesgericht gibt Pleite-Reeder teilweise recht
Politisch ist die Affäre um die Schweizer Hochseeflotte zwar längst aufgearbeitet. 2016 realisierte der Bund, dass ihm ein Millionenverlust droht. Dies vor allem, weil eine Schweizer Reederei in Schieflage geraten war, deren zwölf Hochseeschiffe der Bund verbürgt hatte. Davor hatte die Eidgenossenschaft ihre hochtrabenden Pläne seit dem Zweiten Weltkrieg immer weiter ausgebaut, mit dem Ziel, die Versorgung des Landes mit eigenen Schiffen auf den Weltmeeren notfalls selber sicherzustellen.
Nachdem CH Media die Hochseeflotten-Affäre 2017 publik gemacht hatte, drängte der Bundesrat auf einen schnellen Verkauf der Schiffe. Dies, weil der Schaden immer noch grösser zu werden drohte. Statt eigene Schiffe in alle Welt zu senden, hatte der Bund nämlich ab 1959 Hochseeschiffe mit günstigen Krediten unterstützt. 2017 schipperten sechs Reedereien sodann bereits 50 Hochseeschiffe mit Bundeskrediten über die Weltmeere. Diese waren bei der Eidgenossenschaft mit total 1,1 Milliarden Franken verbürgt.

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Das ging lange gut, und manche Reeder verdienten damit auch viel Geld. Bis die Schifffahrtsbranche ab 2008 weltweit in eine Jahrhundertkrise rutschte. In der Folge musste der Bundesrat beim Parlament schliesslich praktisch über Nacht einen 215-Millionen-Nachtragskredit beantragen.
Bundesgericht gibt Pleite-Reeder teilweise recht
Inzwischen beschäftigt die Schweizer Hochseeflotte noch die Gerichte. Zuletzt hatte das Berner Obergericht Pleite-Reeder Hans-Jürg Grunder vor gut einem Jahr unter anderem wegen Betrugs verurteilt. Laut dem Urteil muss der Berner Anwalt fünf Jahre und fünf Monate ins Gefängnis. Doch das Obergericht wird sich bald nochmals mit dem Fall beschäftigen müssen. Denn das Bundesgericht gibt Grunder in einem Rekurs nun teilweise recht.
So könne der Vorwurf der Falschbeurkundung einzig auf inhaltlich falsche Bilanzen von Grunders Gesellschaften angewandt werden, argumentiert das Bundesgericht. Nicht jedoch auf diejenigen Dokumente, die dem Vorwurf des Leistungsbetrugs zugrunde liegen. Indem das Berner Obergericht diese Tatbestandsvariante auch auf Bürgschaften für anwendbar erklärte, «hat es gegen Bundesrecht verstossen», urteilt das Bundesgericht.
Damit gibt die strafrechtliche Kammer des Bundesgerichts, welche in fünfköpfiger Besetzung tagte, in dem 94-seitigen Urteil dem Pleite-Reeder teilweise recht. Folglich wird das Berner Obergericht in diesem Punkt bald nochmals über die Bücher gehen müssen, wie aus dem am Donnerstag publizierten Entscheid hervorgeht. Wegen Leistungsbetrugs kann gemäss Strafrecht verurteilt werden, wer durch Vorspiegelung falscher Tatsachen arglistig in die Irre führt.
Hochseeflotten-Affäre erneut in Bern vor Gericht
Nach dem Entscheid des Bundesgerichts wird sich das Berner Obergericht nicht nur mit der Höhe der Gefängnisstrafe erneut befassen müssen, sondern auch nochmals mit der Zivil- und Ersatzforderung des Bundes. Zum Umfang der Milderung, wie auch zu den weiteren Folgen seines Urteils, äussert sich das Bundesgericht wie üblich nicht.
Das Berner Obergericht hatte dabei beim Anklagepunkt Leistungsbetrug die erstinstanzliche Strafe noch verschärft. Der Reeder war darum in zweiter Instanz zu fünf Jahren und fünf Monaten statt nur zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Vorsitzende Richterin hatte da bereits einen Rabatt von einem Monat Gefängnis abgezogen, weil der Pleite-Reeder aus ihrer Sicht einer teilweise überbordenden Berichterstattung in den Medien ausgesetzt gewesen sei.
Die weiteren Rekurse Hans-Jürg Grunders wie auch von dessen mitverurteilten Ehefrau – und damit die Mehrheit der kritisierten Punkte des Urteils – lehnt das Bundesgericht dagegen ab. Dies, soweit es überhaupt darauf eingeht.