Höchste Präzision bei Wirbelsäulen-OPs
Eigentlich ging Erika Bucher (Name geändert) immer gerne spazieren. Doch plötzlich fingen beim Gehen ihre Beine an zu schmerzen. Vor einigen Monaten schaffte es die 70-Jährige dann knapp noch 150 Meter weit, bevor sie sich wieder hinsetzen und die Schmerzen abklingen lassen musste. Dank einer ärztlichen Konsultation und weiterer Untersuchungen war die Ursache bald gefunden: eine Spinalkanalstenose. Dabei handelt es sich um eine Verengung des Wirbelsäulenkanals, in dem das Rückenmark verläuft. Der Druck auf die Nerven kann im schlimmsten Fall nicht nur Rücken- und Beinschmerzen, sondern bleibende Nervenschädigungen verursachen. Bei Erika Bucher kam erschwerend eine Skoliose hinzu – eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule.
Verkürzte Operationszeit dank 3D-Technologie
«Tatsächlich ist das ein recht häufiger Befund bei Menschen in diesem Alter. Die Spinalkanalstenose ist einem Verschleiss der Wirbelsäule geschuldet, der einen An- und Umbaueffekt auslöst. In manchen Fällen kann der Verschleiss zudem zu einer Skoliose führen», erklärt PD Dr. med. Markus Bruder, der neue Leiter des Bereichs Wirbelsäulenchirurgie in der Klinik für Neurochirurgie im Kantonsspital Aarau (siehe Box). Physio- und Schmerztherapien sind hier immer der erste Schritt der Therapie. Nachdem diese Massnahmen aber keine Wirkung mehr zeigten, kam bei Erika Bucher nur noch eine operative Erweiterung des Spinalkanals infrage. Aufgrund der Skoliose konnte diese jedoch kombiniert mit einer Korrektur und Ruhigstellung, einer sogenannten Stabilisierung, erfolgen.
Den Eingriff nahm Markus Bruder mithilfe des neuen C-Bogens der Firma Ziehm vor, eines Geräts, das direkt während des Eingriffs ein dreidimensionales Bild der Wirbelsäule erstellt. Anstatt also vor und während der Operation eine Vielzahl von einzelnen Röntgenbildern aufnehmen zu müssen, um die korrekte Position zu bestimmen, verschafft der C-Bogen gleich während des Eingriffs in einer einzigen Untersuchung einen hochpräzisen Überblick über die Situation. Werden diese 3D-Daten dann in Kombination mit einer sogenannten Navigations-Software mit optischen Sensoren genutzt, können die Implantate jetzt noch genauer an der idealen Stelle positioniert werden. Die Navigation hat bei der Wirbelsäulenoperation neben der höheren Sicherheit aber noch einen weiteren Vorteil: eine deutlich verkürzte Operationszeit. «Je komplexer der Eingriff, desto grösser der zeitliche Vorteil. Und je kürzer die Narkosezeit, desto schonender ist ein Eingriff für den Patienten», erklärt der erfahrene Wirbelsäulenexperte.
Dank der erleichterten Navigation und der Bildgebung in Echtzeit können die Ärzte zudem direkt während der Operation überprüfen, ob die Schrauben in der besten Position sind. «Eine relevante Abweichung ist mit der neuen Technik fast ausgeschlossen», sagt Bruder. «Das ist entscheidend, weil so weitere Operationen vermieden werden können.» Auch das Infektions- und Blutungsrisiko ist aufgrund der kürzeren Operationsdauer geringer. Und der neuartige Scan verringert die Strahlenbelastung, weil deutlich weniger Röntgenbilder angefertigt werden müssen.
Sechs Wochen nach dem Eingriff schmerzfrei
Erika Bucher geht es mittlerweile wieder gut. Die Schmerzen in den Beinen waren unmittelbar nach dem Eingriff verschwunden, lediglich ein Wundschmerz im Bereich der Operation begleitete sie für ein paar Tage. Rund sechs Wochen nach dem Eingriff erfreute sich die 70-Jährige schliesslich an einer verbesserten Lebensqualität und war endlich wieder schmerzfrei.
Thomas Winter
«Ziel ist, den Alltag ohne relevante Einschränkung zu meistern»
Herr Bruder, erhalten Patienten, die einen wie im Text geschilderten Eingriff vornehmen lassen müssen, auch ihre gewohnte Bewegungsfähigkeit zurück?
Markus Bruder: Das Ziel des Eingriffes ist es, dass der Alltag wieder ohne relevante Einschränkung gemeistert werden kann. Die «Stabilisierung» der Wirbelsäule kann eine zusätzliche Bewegungseinschränkung zur Folge haben – dies ist aber nur bei der Versteifung von vielen Segmenten (Wirbelsäulenabschnitten) der Fall. Bei den meisten Eingriffen müssen nur ein oder zwei Wirbelsäulenabschnitte versteift werden. Dies ist nur selten mit einer zusätzlichen Einschränkung verbunden, da die operierten Abschnitte meist ohnehin nicht mehr relevant an dem Bewegungsumfang der Wirbelsäule beteiligt waren.
Worauf müssen Patientinnen und Patienten nach einem solchen Eingriff besonders achten?
Die bei der Operation eingesetzten Implantate müssen einheilen. Das bedeutet, dass in den ersten Wochen nach einer solchen Operation das Tragen von Gewichten oder auch übermässige Bewegungen noch nicht stattfinden sollten. Alltägliche Bewegungen können und sollen jedoch rasch nach der Operation wieder erfolgen.
Kann man dem Verschleiss der Wirbelsäule vorbeugen?
Der Verschleiss der Wirbelsäule, also die Degeneration, ist ein altersabhängiger Prozess, der bisher nicht aufzuhalten ist. Allerdings kann man mit regelmässigem Sport oder Bewegung den Bewegungsapparat, vor allem die Muskulatur der Wirbelsäule, so stärken, dass die Folgen der Degeneration besser abgefangen werden können. (zt)