Anwälte wehren sich ein zweites Mal gegen Honorarkürzung im Aargau – und bekommen wieder recht
Der Aargauer Anwalt Franz Hollinger ist nicht der einzige Pflichtverteidiger, der Honorarkürzungen durch das Aargauer Obergericht ans Bundesstrafgericht weitergezogen hat. Am Dienstagmittag hat das Bundesstrafgericht nebst den sechs Urteilen, die Fälle von Hollinger betreffen, elf weitere Entscheide veröffentlicht.
Alle betreffen Honorarbeschwerden von amtlichen Verteidigern in den Jahren 2020, 2021 und 2022. In sämtlichen Fällen kommt das Bundesstrafgericht zum Schluss, dass das Obergericht den Anwälten ihr Honorar zu Unrecht gekürzt hat.
Mit drei Fällen musste sich das Bundesstrafgericht bereits zum zweiten Mal befassen. Die Anwälte hatten sich schon 2019 beziehungsweise 2020 gegen die Kürzung gewehrt. Das Bundesstrafgericht hiess ihre Honorarbeschwerden im Februar 2020 gut – zusammen mit weiteren Beschwerden.
Die Bundesstrafrichter wiesen das Obergericht damals an, neu über die Entschädigung zu entscheiden. Das hat das Obergericht in allen drei Fällen getan. In keinem Fall jedoch entschädigte das Obergericht den Aufwand, den die drei Anwälte geltend gemacht hatten. Deshalb haben alle drei erneut eine Honorarbeschwerde beim Bundesstrafgericht eingereicht.
Bundesstrafgericht legt Entschädigung fest
Dieses Mal haben die Bundesstrafrichter die Entschädigungen selbst festgelegt und die geltend gemachten Aufwände geprüft. Zwei Anwälte erhalten die Entschädigung, die sie gefordert hatten. Einer 7745 Franken, der andere 17’374 Franken. Das Obergericht wollte sie mit 4500 beziehungsweise 10’000 Franken entschädigen.
Im dritten Fall sprach das Bundesstrafgericht dem Verteidiger eine Entschädigung von 32’788 Franken zu. Er hatte 33’000 Franken gefordert, das Obergericht wollte ihn mit 15’000 Franken entschädigen. Das Bundesstrafgericht hat einzelne, minimale Kürzungen vorgenommen und dem Anwalt etwa den Aufwand für einen Brief an den Klienten gestrichen.
Jede vierte Beschwerde betrifft den Aargau
In diesem Urteil äussert sich das Bundesstrafgericht auch allgemein zur Kürzungspraxis des Aargauer Obergerichts. Es gebe Gründe anzunehmen, dass die Strafkammer des Obergerichts die Arbeit der Verteidigung in vielen Fällen von vornherein als «unangemessen hoch vermutet und sich deshalb für verpflichtet hält, wo und wie immer möglich zu kürzen».
Indem das Obergericht nach dem letzten Rüffel das Honorar des Verteidigers auf die Hälfte seiner Forderung erhöht habe, bringe die Strafkammer zum Ausdruck, dass der Anwalt entweder zur Hälfte unnötige Arbeit gemacht habe oder zwar nötige Arbeit, diese aber nur halb so effizient ausgeführt habe. Der Vorwurf an den Anwalt als Fachperson sei «massiv», so das Bundesstrafgericht.
Im Urteil weisen die Bundesstrafrichter auch darauf hin, dass von den Honorarbeschwerden weit überdurchschnittlich viele die Strafkammer des Aargauer Obergerichts betreffen. Zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 10. Juni 2022 hat das Bundesstrafgericht insgesamt 115 Honorarbeschwerden aus allen 26 Kantonen behandelt. 33 betrafen die Strafkammer des Aargauer Obergerichts. So auch die 17 Urteile, die am Dienstagmittag publiziert wurden.