«Mieter werden während des WEF in Davos aus ihren Wohnungen geworfen»
Während des Weltwirtschaftsforums (WEF) versammeln sich die Mächtigen der Welt in Davos. Und oft bringen sie eine Sache mit: viel Geld. Das zeigt sich bereits bei der Art und Weise, wie sie an die Veranstaltung reisen. Nicht selten mit dem Privatjet oder Helikopter.
Die finanzstarken WEF-Gäste müssen auch irgendwo unterkommen. Neben Hotels sind speziell Wohnungen und Chalets beliebt. Auf der Vermittlungsplattform Airbnb werden Wohnungen mit nur einem Bett gerne für 1500 Franken pro Nacht angeboten. Weit über 6000 Franken liegen für die Eigentümerschaft drin, wenn sie ihre vier Wände für die ganze Veranstaltungswoche vermieten können.
Je grösser die Wohnung ist, desto höher liegt der Preis. Für zwei Betten wird zwischen 4000 und 7000 Franken pro Nacht verlangt. Diese absurd hohen Preise haben einige Nachwirkungen zur Folge, bei denen oft die Bevölkerung in Davos das Nachsehen hat.
Leere Wohnungen
«Es gibt einige Firmen, die mieten in Davos Wohnungen oder zum Teil ganze Häuser und lassen sie im Jahr mehrheitlich leer stehen. Während der WEF-Woche verdienen sie dann mit der Vermietung mehr Geld, als sie im ganzen Jahr bei regulären Preisen hätten reinholen können», sagt ein Immobilienunternehmer gegenüber watson, der selbst Chalets in dieser Zeit für bis zu 280’000 Franken pro Woche vermietet.
Mit diesen Preisen sei er aber nicht alleine. «Für ein schönes Chalet verlangen andere während des WEF auch locker zwischen 400’000 bis 500’000 Franken – für eine Woche», sagt er.
Diese Praxis werde immer beliebter, weiss auch der Davoser SP-Präsident Joshua Verhoeven. «Es sind die Wohnungen, teils ganze Wohnblöcke, bei denen mehrheitlich im Jahr kein Licht brennt und die Rollläden unten sind. Während des WEF verdienen die Eigentümer dann das grosse Geld», sagt er zu watson.
Es seien Wohnungen, welche der Davoser Bevölkerung fehlen würden. «Wir spüren in Davos seit Jahren eine leichte Abwanderung, gerade bei den Jüngeren. Eine Wohnung zu finden, ist sehr schwierig oder sehr teuer», sagt Verhoeven. Dafür sei aber nicht nur das WEF verantwortlich, sondern generell der hohe Zweitwohnungsanteil von 60 Prozent.
Wie schwierig die Wohnungssuche ist, unterstreicht ein Blick auf das kommunale räumliche Leitbild (KrL) der Gemeinde. Dieses hält fest, dass die Mietwohnungen 2022 im Median jährlich bei 260 Franken pro Quadratmeter lagen – was deutlich höher ist als der Schweizer Durchschnitt von 189 Franken. Doch laut des SP-Präsidenten würden selbst diejenigen Davoserinnen und Davoser unter dem WEF leiden, die eine bezahlbare Wohnung gefunden hätten.
Mieter rausgeworfen
«Es gibt Eigentümer, die spezielle Mietverträge abschliessen. Diese regeln, dass die Mietenden während der WEF-Woche praktisch aus ihrer Wohnung geworfen werden können. Damit die Eigentümer in dieser Zeit einige Tausend Franken mehr verdienen, sagt Joshua Verhoeven. Die Mietenden müssten selbst eine Übergangslösung finden.
watson hat bei zehn Davoser Immobilienverwaltungen und Treuhandbüros angefragt, ob sie diese Praxis kennen und selbst bei ihren Mietern anwenden. Drei antworteten schriftlich, dass sie keine solchen Mietverträge ausstellen würden. Zwei antworteten, dass sie nicht namentlich genannt werden möchten, aber die Praxis von der Konkurrenz kennen würden.
«Es gibt einige Wohnungen, welche diese Klausel im Mietvertrag haben», sagt ein Unternehmer. Der Geschäftsführer einer anderen Verwaltung bestätigt es ebenfalls und sagt: «Wir betreuen selbst einen Eigentümer, der seinem Mieter freiwillig überlässt, ob er die Wohnung während des WEF teurer vermieten und sie in dieser Zeit verlassen möchte. Die Einnahmen werden dann zwischen der Mietpartei und dem Eigentümer aufgeteilt.» Aber Namen nennen möchte niemand, wie das oft ist, wenn es um das grosse Geld geht.