Milde Herzmuskelzellschäden bei knapp drei Prozent der geboosterten Personen
Herzmuskelentzündungen nach der Impfung sind eine bereits gut bekannte Nebenwirkung: Verschiedene Studien haben ergeben, dass es in rund 35 Fällen von 100’000 Geimpften zu einer solchen Entzündung kommt, die meist von alleine abheilt. Sie können mittels Magnetresonanztomografie MRT erkannt werden.
Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel wollten es genauer wissen. Sie untersuchten das Blut von 777 Mitarbeitenden des Universitätsspitals drei Tage nach der Auffrischimpfung auf einen Marker namens «kardiales Troponin». Je höher dieser Wert, desto mehr Herzmuskelzellen sind gestorben. «Erst bei einer rund drei- bis fünffach grösseren Schädigung hätte man dies auch beim MRT festgestellt», ordnet Kardiologe und Studienautor Christian Müller vom Unispital Basel die Messmethode in einem Interview auf der Website des Spitals ein.
Die Ergebnisse zeigten, dass 2,8 Prozent eine solch leichte Herzmuskelzellschädigung hatten. Das ist deutlich mehr als die 0,0035 Prozent der Fälle mit Herzmuskelentzündung nach der Impfung. Müller betont, dass es hier um milde Effekte geht: «Man sollte dies nicht überbewerten, aber auch nicht ignorieren.»
Die Werte sanken am Folgetag deutlich
Am Folgetag, dem vierten nach der Impfung, waren die kardialen Troponinwerte bei der Hälfte der 22 Betroffenen wieder im Normbereich und die Tendenz war – mit einer Ausnahme – bei allen sinkend. Dies bedeute, dass die Schädigung der Zellen aufhörte, erklärt Kardiologe Müller auf Anfrage.
Wichtig ist der Befund, weil sich der Herzmuskel gemäss heutigem Wissen nicht oder nur minim regenerieren kann. Müller sagt:
Es ist daher möglich, dass jährliche Impfungen milde Schädigungen nach sich ziehen.
Doch Kardiologen stellen fest, dass es auch während oder kurz nach einer Coronainfektion zu mehr Herz-Kreislauf-Problemen kommt. Man nimmt deshalb an, dass eine Infektion zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt. Wie hoch und wie häufig diese sind, ist laut Müller auf Basis der sehr sensitiven kardialen Troponinmessung bisher nicht untersucht worden.
Er rät denn auch, dass sich Herz-Kreislauf-Patienten weiterhin boostern lassen. «Diese Gruppen haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Der hohe Nutzen eines starken Impfschutzes für diese Gruppen steht ausser Zweifel.»
Die Impfung muss verbessert werden
Er sieht aber Forschungsbedarf darin, zu untersuchen, wie eine mRNA-Impfung oder eine Infektion die Herzmuskelzellen schädigen kann. So könnte die Impfung optimiert werden. «Der Ball liegt jetzt wieder im Feld der Impfstoffhersteller. Bei der Sicherheitsprüfung der Auffrischimpfungen müssen sie künftig das Phänomen der Herzmuskelzellschädigung berücksichtigen.»
Im Verdacht steht derweil das Spike-Protein. Denn nur diese Komponente, mit der Sars-CoV-2-Viren an menschliche Zellen andocken, ist auch in der Impfung vorhanden. Und bekannt ist, dass es die innerste Schicht der Blutgefässe schädigt, die Endothelzellen. Ob dieser Effekt auch für die Schäden nach einer Impfung verantwortlich ist, ist nicht klar.
Müller gibt jedoch zu bedenken, dass die Krankheitsbilder mit den wechselnden Varianten variieren und deshalb auch die Impfung vermutlich so abgeändert werden könnte, dass keine Schäden am Herz auftreten.
Sind Frauen eigentlich stärker betroffen?
Die Impfstudie aus Basel zeigte übrigens überraschend, dass 3,7 Prozent der Frauen, aber nur 0,8 der Männer erhöhte Tropininwerte hatten. Bei den Herzmuskelentzündungen war bisher bekannt, dass es vor allem junge Männer treffen kann. Die neuen Ergebnisse könnten bedeuten, dass das Herz bei Frauen generell anders reagiert. Müller empfiehlt so oder so, sich in den ersten Tagen nach der Impfung mit Sport zurückzuhalten, um den Herzmuskel in dieser Zeit nicht zusätzlich zu belasten.
Die Universität und das Unispital Basel haben bereits eine weitere Studie dazu lanciert: Aktuell werden die Troponinwerte der Angestellten des Spitals, die sich noch mal boostern lassen, vor und nach der Impfung gemessen, um den individuellen Effekt besser einschätzen zu können.