In der Brittnauer «Fennern» übernehmen Lernende die Küche
Ein schmales Strässchen führt zum beliebten Ausflugsziel. Den Leidenberg hinauf, ein Stück weit der Gemeindegrenze von Brittnau und Vordemwald entlang. Beim idyllisch gelegenen Gasthof zur Fennern angekommen eröffnet sich dem Gast bei schönem Wetter eine weitläufige Aussicht bis hin zu den Jurahöhen. «Ein wunderbarer Ort, aber es ist eigentlich verrückt, was wir hier in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben», sagt Alain Lardon in der Gaststube.
Der 52-jährige Lardon ist seit dem 7. März 2020 zusammen mit seiner Frau Nicki Gastgeber in der «Fennern». Rund 130 Gäste hätten in Restaurant und Saal Platz, dazu kämen etwa 100 Plätze in der Gartenwirtschaft. Hätten, denn zehn Tage nach der Eröffnung mussten die neuen Pächter die Pforten ihres Hauses bereits ein erstes Mal schliessen. Landesweiter Lockdown. Ein Traumstart sieht anders aus – und die Coronamassnahmen trafen die Wirtsleute auch nach der Wiedereröffnung der Gastronomiebetriebe ab Mai/Juni 2020 in schöner Regelmässigkeit wieder. Besonders einschneidend: Die erneute Schliessung der Restaurants im Zeitraum von Dezember 2020 bis April/Mai 2021.
Während der Coronazeit viel Solidarität erfahren
Doch ins Jammern verfallen mag Alain Lardon nicht. «Ich bin überzeugt, dass wir damals den richtigen Schritt gewagt haben», sagt er, der nach der Schule zum Erstaunen seiner Freunde eine Kochlehre absolvierte. Dann zahlreiche Gastrobetriebe führte und einige Jahre im Zigarrengeschäft sowie im Champagnerhandel tätig war. «Nicht im Aussendienst, Champagner vertreibt man als Regionaldirektor», sagt er schmunzelnd. «Ja, und mit 50 Jahren wollte ich wieder mein eigener Chef sein».
In der Coronazeit hätten er und seine Familie viel Solidarität erfahren. Von den zahlreichen treuen Gästen und Vereinen, die dem Lokal die Stange gehalten haben, obwohl es vorher fast ein Jahr lang leer stand. Von der Familie Künzi, der der traditionsreiche Gasthof immer noch gehört, mit Zinsnachlässen. Aber auch vom benachbarten Pflegeheim Sennhof, dessen Küche sich sofort anerboten hat, die Lernenden während der Restaurant-Schliessung zu beschäftigen und weiter auszubilden. Und natürlich hätten auch die Entschädigungszahlungen geholfen, den Betrieb über Wasser zu halten, auch wenn der Aufwand für einen erst seit kurzem bestehenden Betrieb vielleicht etwas höher gewesen sei als für ein alteingesessenes Unternehmen.
Ich bin überzeugt, dass wir damals den richtigen Schritt gewagt haben.
Alain LardonGastgeber in der «Fennern»
Umgekehrt zeigten sich auch die Lardons solidarisch, als sie im November letzten Jahres einem Lernenden, der seine Stelle verloren hatte, die Möglichkeit boten, seine Ausbildung in der «Fennern» fortzuführen.
Einer der beiden Abschluss-Stifte ist Ian Lardon. Der 23-jährige Sohn des Chefs absolviert in der «Fennern»-Küche nach einer Zimmermann-Ausbildung seit August 2020 eine Zweitausbildung als Koch. Er habe nicht das Gefühl, dass ihm wegen des Lockdowns nun die Praxis fehle. «Ich konnte während 1½ Monaten beim Lebensmittelgrosshändler Pistor in der Kantine arbeiten», sagt Lardon, und in dieser Zeit habe er sich gut auf die Lehrabschlussprüfungen vorbereiten können. Und auch die Berufsschule habe während dieser Zeit mehrmals zu Kursen aufgeboten, der Fernunterricht stattgefunden.
Lehrlings-Diner ist eine Win-win-Situation
Im Betrieb selber unterstützt man die Lernenden ebenfalls nach Kräften. Mit einem aussergewöhnlichen Format – einem Lehrlings-Diner, bei dem Gäste für 40 Franken einen von den Lernenden zubereiteten Viergänger konsumieren können. «Einerseits bringt uns das an eher flauen Tagen Umsatz», erläutert Alain Lardon, andererseits sei es für die Lernenden eine gute Gelegenheit, unter «prüfungsnahen Bedingungen» zu kochen. Insbesondere das auch an der Abschlussprüfung geltende Zeitmanagement gelte es zu trainieren und einzuhalten, findet Lardon. Zwei der fünf Diner haben bereits stattgefunden, die weiteren finden an den drei verbleibenden Donnerstagen im Januar statt. «Eine gute Sache – sowohl für Lernende als auch Betrieb», findet Lardon.
Eine gute Gelegenheit, sich zu verbessern
Der Durchführung der Diners steht Ian Lardon positiv gegenüber: «Man spürt die Unterstützung aus dem Betrieb». Die ersten beiden Diners, bei denen 10, respektive 15 Gäste bekocht wurden, seien sehr gut verlaufen. «Die Feedbacks der Gäste sind sehr gut ausgefallen», sagt er, Schwachstellen habe er selber erkannt. «Ich habe beispielsweise einen ausgezeichnet mundenden Fischgang zubereitet, der Teller war aber nicht wirklich schön angerichtet», sagt er selbstkritisch. Deshalb will er sich bei der zweiten Serie der Lehrlings-Diner besser auf das Anrichten der Teller vorbereiten.
Weil sein «Nebenstift» momentan krankheitshalber ausfällt, wird er sich auch mehr Zeit für das Austüfteln der Menüs nehmen müssen. Das sei eine gute Gelegenheit, mit den Zutaten, die in den Warenkörben für die praktische Prüfung vorgegeben sind, zu experimentieren.
So werden die Gäste des Diners vom 13. Januar auf dem Vorspeisenteller mit Grünkernsalat mit mariniertem Tofu an einer Radieschen-Vinaigrette verwöhnt, im Fischgang wird Ian Lardon eine Forelle sautieren, dazu eine Pak-Choi-Reisrolle mit einer Mariage von Peperoni und Auberginen an Sesamsauce auf den Teller zaubern. Hauptgang und Dessert hat der Jungkoch aus der Liste der Pflichtgerichte entnommen.
Bei den noch anstehenden Lehrlings-Diner möchte er «in erster Linie Gerichte zubereiten, bei denen ich für mich selber noch Verbesserungspotential sehe». Um dann im Mai mit Zuversicht in die praktischen Prüfungen zu steigen. Wobei er sich bewusst ist, dass dort noch ganz andere Faktoren wichtig sein werden: Die Umstellung auf die andere Küche meistern, die Zeitplanung und vielleicht auch die Nervosität im Griff haben. Nachher möchte Ian Lardon weitere Berufserfahrungen sammeln und später die Prüfung zum Chefkoch absolvieren. Wer weiss: Vielleicht wird damit der Grundstein gelegt, dass der beliebte Gasthof noch einige Zeit von der Familie Lardon betrieben werden kann.
Die «Fennern» – eine wechselvolle Geschichte
Der Gasthof zur Fennern hat eine lange Tradition. Verbürgt ist, dass 1865 Johannes Gugelmann das Pintenschankrecht ersteigerte, um auf der Fennern eine Wirtschaft mit Pension zu betreiben. 1904 wurde die Liegenschaft an eine Frau Blum-Wiss verkauft. 1917 erwarb Familie Sägesser das Restaurant, das am 30. November 1923 einem Brand zum Opfer fiel. Nach dem Wiederaufbau führte die Familie Sägesser das Restaurant bis 1936 weiter. Dann wurden Gasthaus und Landwirtschaft durch die Familie Künzi erworben, die dieses bis vor wenigen Jahren erfolgreich führte. Nicht ohne einen weiteren Schicksalsschlag: Am 12. April 1975 brannten Gasthaus und Scheune zum zweiten Mal ab. Die Familie Künzi baute den Gasthof so wieder auf, wie er sich heute präsentiert. (Nach Angaben von Hans Scheibler)