Leaks aus dem Bundesrat: Nationalrat bremst Ständerat aus
Während der Coronakrise wusste die interessierte Öffentlichkeit bisweilen vorher, welche Massnahmen der Bundesrat entscheiden würde. Grund dafür waren Indiskretionen: Bereits am Vorabend von Bundesratssitzungen sickerten die detaillierten Anträge in den Medien durch. Der Ständerat möchte diesen Geheimnisverletzungen einen Riegel schieben. Er hiess letztes Jahr eine Motion gut, die den Bundesrat beauftragt, einen Bericht über die Indiskretionen zu erstellen und Massnahmen zu ergreifen.
Im Nationalrat fand das Ansinnen kein Gehör. Die grosse Kammer lehnte am Montag die Motion stillschweigend ab. Damit ist das Thema erledigt. Einig waren sich die Räte in der Lagebeurteilung. Indiskretionen würden Misstrauen schaffen und den politischen Institutionen schaden.
Zwar sieht auch der Nationalrat Handlungsbedarf, erachtet den vorgeschlagenen Weg aber als falsch. Das Anliegen sei nicht zielführend, um das Problem in den Griff zu bekommen, argumentierte die vorberatende Kommission. Die Verfahren bei vertraulichen oder geheimen Geschäften seien in den letzten Jahren optimiert worden. Einen Bericht über die Indiskretionen, wie dies der Motionär vorschlägt, erachtet die Kommission aus institutioneller Sicht als fragwürdig und nicht zielführend.
Würth wittert ein System
Hinter der Motion steht der St.Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth. Er wünscht sich «innovative Massnahmen», um solche Geheimnisverletzungen künftig im Keim zu ersticken. Für Würth ist durch die «systematischen Indiskretionen» das Konkordanzsystem am «verlottern». Es sei störend und stossend, dass oftmals bereits am Vorabend von Bundesratssitzungen die detaillierten Anträge der zuständigen Bundesräte in den Medien waren. Würth vermutet hinter den Indiskretionen das Ablenken von «eigenen Unzulänglichkeiten» der Departemente.
«Auch der Bundesrat ärgert sich über die Indiskretionen», hatte Bundeskanzler Walter Thurnherr im Ständerat erklärt. Diese seien nicht nur kriminell, sondern zeugten auch von «Charakterschwäche». Der Bundesrat sieht aber kein System dahinter. Thurnherr betonte, dass auch sehr viele Informationen, die geheim sind, geheim bleiben: «Aber das sieht man halt nicht.» Es nütze jetzt auch wenig, einen Bericht dazu zu verfassen, so Thurnherr. Viel mehr gehe es darum, dass bestehende Grundlagen besser umgesetzt werden. (mg/rwa)