Abstimmung um die Impfpflicht: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Im Juni kommen vier Vorlagen an die Urne. Besonders umkämpft sind dabei die beiden Initiativen zu den Gesundheitskosten. Auch das Stromgesetz scheidet die Geister – zumindest an den Plakatwänden. Um die vierte Abstimmung ist es dagegen deutlich ruhiger: «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» heisst sie. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.
Um was geht es?
Mitten in der Pandemie lancierten Impf- und Coronaskeptiker die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» und reichten diese im Januar 2022 mit rund 125’000 gültigen Unterschriften ein. Im Kern geht es bei der Vorlage um den Kampf gegen eine Impfpflicht.
«Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit einer Person bedürfen deren Zustimmung. Die betroffene Person darf aufgrund der Verweigerung der Zustimmung weder bestraft werden noch dürfen ihr soziale oder berufliche Nachteile erwachsen», heisst es im Initiativtext. Das klingt grundsätzlich selbstverständlich, zielt aber auf die Einschränkungen, die für ungeimpfte und ungetestete Personen während der Pandemie galten.
Würde die Initiative angenommen, könnte der Bund bei künftigen Ausnahmesituationen nicht mehr Massnahmen wie etwa eine Zertifikatspflicht einführen.
Aber die Pandemie ist doch vorbei, oder?
Es gehe darum, die «pharmaorientierte Politik zu stoppen», schreiben die Initianten. Jeder Mensch solle «frei und ohne Angst» entscheiden können, «ob er sich impfen lassen will oder ob er sich mit einem Chip versehen lässt.» Gerade die aktuellen Entwicklungen zu Impfschäden würden zeigen, dass «wir dem Bundesrat, der Politik mit Ihren Taskforces und Experten nicht trauen können». Darum sei der neue Artikel in der Bundesverfassung weiterhin wichtig.
Wer steckt hinter dem Anliegen?
Initiiert wurde das Volksbegehren von der Freiheitlichen Bewegung Schweiz (FBS). Im Komitee sitzt ein bunter Strauss an Massnahmen- und Impfskeptiker. Darunter die ehemalige Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, der Komiker Marco Rima oder der Impfskeptiker Daniel Trappitsch.
Welche Parteien unterstützen das Anliegen?
Von den grossen Parteien hat sich einzig die SVP für eine Ja-Parole entschieden. Bereits in der Parlamentsdebatte haben sich einige SVP-Nationalräte und -Nationalrätinnen für das Anliegen ausgesprochen. Dabei wurde auch erfolglos für einen Gegenvorschlag geweibelt. In diesem hätte das Grundanliegen – das Verbot einer Impfpflicht – konkreter ausgearbeitet werden sollen.
Sämtliche anderen grossen Parteien und auch der Bundesrat stellen sich gegen die Initiative. Bei den Abstimmungen im National- und Ständerat fiel die Ablehnung sehr deutlich aus. In der kleinen Kammer sogar einstimmig.
Wie argumentieren die Gegner?
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit sei bereits heute gewährleistet, sagen Bundesparteien und die anderen grossen Parteien. Ein Impfzwang könne in der Schweiz gar nicht angeordnet werden. Aufgrund gültiger Gesetze könne höchstens eine Impfpflicht für gewisse Gruppen ausgesprochen werden, etwa für beruflich besonders exponierte oder gefährdete Menschen.
Der Handlungsspielraum des Bundes in Krisensituationen würde durch die Initiative stark beschränkt. Der Initiativtext sei zudem sehr allgemein ausgelegt. Die Umsetzung würde zu «einer grossen Rechtsunsicherheit führen».
Wie steht es um die Chancen der Initiative?
Eher schlecht. Die erste Umfrage von Tamedia macht den Impfgegnern kaum Hoffnung. Demnach würden derzeit nur gerade 29 Prozent der Befragten ein Ja in die Urne legen. während sich 51 Prozent gegen das Anliegen aussprechen. Allerdings betonen die Demoskopen, dass der Meinungsbildungsprozess «noch nicht weit fortgeschritten ist». Ein ähnliches Ergebnis zeigt die erste Umfrage des Meinungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG. Rund 70 Prozent geben an, die Initiative abzulehnen. Nur gut ein Viertel will dazu Ja sagen.
Uneins sind sich die beiden Umfragen bei der SVP-Basis. Während sich bei der Tamedia-Umfrage nicht einmal die Hälfte der SVP-Wählerschaft für die Initiative ausspricht (knapp 41 Prozent), geniesst das Anliegen gemäss gfs.bern eine deutlichere Zustimmung: 54 Prozent der befragten SVP-Sympathisanten befürworten die Initiative. Klar ist indes bereits jetzt: Bei den übrigen Parteien fällt das Anliegen deutlich durch.