Gegenvorschlag zur Gewässer-Initiative: Landwirte und Umweltschützer spannen zusammen
Im Februar 2023 reichten die Aargauer Umweltverbände ihre Gewässer-Initiative bei der Staatskanzlei ein. Sie will die Aargauer Feuchtgebiete erhalten und fördern; der Schutz der Bäche, Auen, Moore, Flüsse und Weiher soll in der Verfassung festgeschrieben werden. Über 4200 Aargauerinnen und Aargauer haben das Begehren unterschrieben. Im nächsten Jahr soll an der Urne darüber entschieden werden.
Ob es zu dieser Abstimmung überhaupt kommen wird, ist inzwischen aber unsicher. Der Wasserkanton Aargau könnte den Schutz seiner Feuchtgebiete nämlich auch ohne Initiative sicherstellen, finden Grossrätinnen und Grossräte aller Fraktionen. Diese Woche haben sie einen Vorstoss eingereicht, der einen Gegenvorschlag zur Gewässer-Initiative fordert. Bereits bestehende kantonale Instrumente sollen dafür genutzt und auf die Feuchtgebiete erweitert werden.
In der Landwirtschaft, im Wald, in der Siedlung
Etwa das Programm Labiola – dieses steht für «Landwirtschaft, Biodiversität, Energie». Damit fördert der Kanton die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft im Kulturland. Mit einer Erweiterung des Programms würde der Aargau sicherstellen, dass innerhalb von 20 Jahren Vereinbarungen für 330 Hektaren Feuchtgebiete in der Landwirtschaft geschaffen werden.
Durch das Naturschutzprogramm Wald sollen weitere 500 Hektaren Feuchtgebiete im Aargauer Wald entstehen. Und mit einer Erweiterung des Naturschutzprogramms 2030 würden im Siedlungsraum 170 Hektaren an nassen Lebensräumen errichtet. Renaturierungen, Vernetzungen und ökologische Aufwertungen der Gewässer sollen über den Wasserzinsertrag finanziert werden. Mindestens 5 Prozent davon sollen jährlich in die Aargauer Feuchtflächen investiert werden.
Aus Sicht der Motionäre mache es Sinn, in allen drei Landschaftsteilen Wald, Siedlungsgebiet und Offenland anteilmässig in Feuchtflächen umzusetzen, begründen diese ihr Anliegen. Interessant dabei ist, dass Vertreterinnen und Vertreter der Umweltverbände den Vorstoss mitunterschrieben haben: Matthias Betsche (GLP, Pro Natura), Jonas Fricker (Grüne, WWF) und Gabi Lauper (SP, Bird Life).
Ziel: Artenschwund stoppen
Stellen sie sich etwa gegen ihre eigene Initiative? Nein, sagt Pro-Natura-Geschäftsführer Matthias Betsche auf Anfrage. Es gehe um die Sache: die feuchten Lebensräume im Aargau zu stärken. «Das Ziel ist, den Artenschwund zu stoppen. Es besteht grosser Handlungsbedarf. Da müssen wir jetzt etwas tun.» Wie das umgesetzt werde, ob mit einer Initiative oder über Naturschutzprogramme, sei zweitrangig. Das Prinzip müsse sein, in allen drei Lebensräumen Massnahmen zu ergreifen. «Das Initiativkomitee unterstützt die Motion mit diesen Eckwerten», so Betsche.
Der Gegenvorschlag ist also ein Kompromiss. Denn der Urheber der Motion ist mit Thomas Baumann (Grüne) ein Landwirt. Mit unterschrieben haben auch Bauernverbands-Vizepräsidentin Colette Basler (SP), Bauernverbands-Geschäftsführer Ralf Bucher (Mitte) sowie die Landwirte Beat Käser (FDP), Walter Stierli und Andy Steinacher (beide SVP). Die Landwirtschaft stellte sich rasch als Gegnerin der Gewässer-Initiative heraus.
«Kontraproduktiv und von oben herab» sei das Volksbegehren, stellte der Bauernverband direkt nach der Einreichung fest. Die Landwirte setzten die Anliegen bereits um, bei dieser Freiwilligkeit solle es bleiben. Ihre Befürchtung waren weitere, einschränkende Bestimmungen, für deren Umsetzung alleine sie in der Pflicht stünden.
Zusammenarbeit als Meilenstein
Diese Wogen scheinen jetzt ein bisschen geglättet. Die Motion sei sehr breit abgestützt, findet auch Matthias Betsche. «Es hat ein intensiver Austausch stattgefunden, wir wollen gemeinsame Lösungen finden», sagt er, «alle müssen etwas beitragen». Dieser Wille zur Zusammenarbeit bestehe – dass Landwirtschaft und Umweltverbände in der Förderung der Biodiversität so zusammenspannen, bezeichnet der Pro-Natura-Geschäftsführer gar als Meilenstein. Klar dürfte sein: Beschliesst der Grosse Rat den Gegenvorschlag gemäss Motion, würden die Verbände die Initiative zurückziehen.
Jetzt sei der Zeitpunkt günstig, einen möglichen Gegenvorschlag zum Volksbegehren auszuarbeiten – denn noch hat sich das Parlament nicht über die Initiative gebeugt. Wie dieses über die Motion entscheiden wird, mag Betsche nicht abschätzen. Er sagt: «Ist ein Wille da, findet man sich auch.»