Sie sind hier: Home > Interview > Es droht ein Nein zur Autobahn: Jetzt meldet sich der TCS-Chef mit einem Appell

Es droht ein Nein zur Autobahn: Jetzt meldet sich der TCS-Chef mit einem Appell

Peter Goetschi sagt im Interview, warum das Auto noch immer einen hohen Stellenwert hat – und von wem er sich im Abstimmungskampf mehr erhofft hatte.

Die Umfragen zum Autobahnausbau zeichnen ein düsteres Bild. Hat das Auto seinen Stellenwert in der Schweiz verloren?

Peter Goetschi:Ganz klar: Nein. Das kann man schon anhand der Zahlen ablesen. 80 Prozent unserer Mobilität findet auf der Strasse statt, nur 16 Prozent auf der Schiene. Auto und Zug sind beide wichtig, und wir in der Schweiz haben die Chance, dass wir auf beide Verkehrsträger zählen können und diese auch immer weiterentwickeln.

Und dennoch gibt es aktuell massiven Widerstand. Hat Sie dieser Gegenwind überrascht?

Dass es Widerstand geben würde, war immer klar. Wie hitzig die Diskussion geführt wird, hat mich aber schon überrascht. Ob dieser Emotionalität geht leider vergessen, um was es wirklich geht: um eine zentrale Infrastruktur, die wir an die Entwicklung unseres Landes anpassen müssen. Strasse, Schiene, aber auch andere Infrastrukturen wie beispielsweise bei der Energie oder Schulen müssen den demografischen Wandel auffangen können. Das kommt aktuell zu kurz. Es wird faktenfrei davon gesprochen, das Land würde zubetoniert. Das ist sachlich falsch und enttäuscht mich.

Dass sich Rot-Grün gegen den Ausbau wehren würde, war erwartbar. Was in den Umfragen aber auch zum Ausdruck kommt, ist eine konservative Wachstumsskepsis. Haben Sie den bürgerlichen Widerstand unterschätzt?

Es findet eine Vermischung von Argumenten statt. Tatsache ist: Als die Autobahnen gebaut wurden, zählte die Schweiz fünf Millionen Einwohner. Heute sind es neun Millionen, und dazu werden wir immer mobiler, in Beruf und Freizeit. Dies ist Grundlage und Zeichen unseres Wohlstandes. Dem müssen wir mit diesem gezielten Ausbau Rechnung tragen. Meine Erfahrung ist, dass die Argumente, wenn wir dazu kommen, diese sachlich vorzutragen, auch gut gehört werden. Die Schweiz braucht das Auto – heute und auch in Zukunft.

Dass über das Auto emotional diskutiert wird, ist nichts Neues. Doch noch vor wenigen Jahren gewann die damalige Verkehrsministerin Doris Leuthard die Abstimmung über eine neue Gotthard-Röhre mit 57 Prozent.

Damals drehte sich die Diskussion sogar noch um die Alpen – ebenfalls ein starkes Symbol der Schweiz. Allerdings war auch die Betroffenheit stärker und das Argument der Verkehrssicherheit war einfacher zu vermitteln. Auch hier geht es um Verkehrssicherheit, weil Ausweichverkehr in die Dörfer vermieden werden kann. Gerade deshalb bin ich überzeugt, dass wir am Sonntag ein Ja erringen können.

Hätten Sie sich mehr Unterstützung im Abstimmungskampf erhofft? Etwa von den betroffenen Kantonen?

Man kann immer mehr tun, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch kantonal und lokal. Ich stelle jedoch fest, dass das Parlament und auch alle Kantone diese Projekte unterstützen, ebenso wie der Schweizer Bauernverband und die Wirtschaft. Das erstaunt nicht, denn es geht um die Schweizer Autobahn als Gesamtsystem, von dem alle profitieren.

Aber was bringt denn ein Ausbau der Autobahn in Basel der Bevölkerung von Luzern oder Graubünden?

Genau dies klarzumachen, ist die Herausforderung. Unsere Autobahnen sind ein Strassennetz, das national funktionieren muss, sei es für den Güter- oder den Personenverkehr. Die Schweiz ist Champion bei der Verlagerung von der Strasse auf die Schiene – und dennoch findet ein grosser Teil des Gütertransports auf der Strasse statt, nicht zuletzt die Feinverteilung. Auch ich als Freiburger bin angewiesen auf eine verlässliche Infrastruktur nach Bern, Genf oder Basel. Deshalb mein Appell an die Bevölkerung: Behalten Sie das grosse Ganze im Auge.

Im Kern geht es um sechs Projekte in der Ostschweiz, bei Genf, Basel und Bern. Hätte es noch ein Projekt in Zürich gebraucht, um sich mehr Unterstützung in der Bevölkerung zu sichern?

Man muss eines sehen: Diese Auswahl wurde nicht im Hinblick auf eine Volksabstimmung getroffen, um sich möglichst viel Rückhalt zu sichern. Es sind einfach jene sechs Projekte, welche die Fachleute im Bundesamt für Strassen als wichtig und baureif erachten, um bestehende Engpässe zu beseitigen. Und dabei kommt ein Aspekt zu kurz.

Welcher?

Jener, der für uns vom TCS zentral ist: die Verkehrssicherheit. Die Autobahn ist ein sehr sicherer und zuverlässiger Verkehrsträger. Dazu müssen wir Sorge tragen, indem wir den Verkehr weiterhin in den Hauptachsen kanalisieren und nicht in die umliegenden Dörfer und Gemeinden verlagern. Das Geld dafür liegt im Nationalstrassenfonds bereit und kann gar nicht für einen anderen Zweck verwendet werden. Andere Länder beneiden uns um diese Ausgangslage.

In einem Interview gegenüber dieser Zeitung kündigte Verkehrsminister Albert Rösti kürzlich an, wie hoch die zukünftige Besteuerung von Elektroautos ausfallen soll. «Ungefähr gleich viel» wie Benziner sollen E-Autos künftig kosten. Was ist da die Haltung des TCS?

Also: In der Schweiz kommen die Strassennutzer für die Strasse auf, heute also vor allem die Nutzer von Verbrennungsmotoren. Mit der Elektrifizierung des Fuhrparks ist deren Anteil rückläufig, deshalb wird es für die Zukunft – Zeithorizont 2030 – ein neues Finanzierungssystem brauchen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang für den TCS, dass das neue System die wegfallenden Einnahmen kompensiert und nicht höhere Abgaben oder einen Systemwechsel zu Mobility Pricing bringt.