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Klimaexperte: «Der trockene Januar ist nicht aussergewöhnlich, das Problem liegt woanders»

Extreme Trockenheit und brennende Wälder, wie sie derzeit im Tessin vorkommen, haben nicht viel mit dem Klimawandel zu tun. Der Klimaforscher Christoph Schär klärt auf, was tatsächlich das Problem ist.

Herr Schär, im Tessin brennen seit Sonntagmorgen die Hügel von Gambarogno am Lago Maggiore. Weiss man schon, was der Grund für das Feuer ist?

Christoph Schär: Was das Feuer ausgelöst hat, weiss ich noch nicht. Aber derzeit ist es im Tessin extrem trocken, es gab seit Wochen keinen Niederschlag. Gleichzeitig bläst der Nordföhn, ein extrem trockener und warmer Wind. Das führt dazu, dass die Böden schnell austrocknen. Unter diesen Bedingungen kann sich ein Feuer schnell ausbreiten.

Waldbrand im Januar. Da denkt man unweigerlich an den Klimawandel. Was ist dran an der Vermutung?

Der jetzige Brand hat wohl mit dem Klimawandel wenig zu tun. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es im Januar so trocken ist. Insbesondere im Tessin kommt es immer wieder vor, dass es im Winter mehrwöchige Phasen ohne Niederschlag gibt.

Zur Person: Christoph Schär ist Professor am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören der Klimawandel und der Wasserkreislauf.

Das müssen Sie erklären.

Mit dem Klimawandel wird die Luft wärmer, was zur Folge hat, dass die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Pro Grad Erwärmung kann die Luft ungefähr sechs Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Der Wasserdampf wird zu den Alpen getragen und es kommt vermehrt zu Niederschlag, ausser im Sommer.

Was ist im Sommer anders?

Dort zeigt sich ein anderer Effekt. Die Tiefdruckgebiete werden schwächer und ziehen weiter nördlich an den Alpen vorbei. Darum gibt es weniger Niederschlagstage. In unseren Modellen konnten wir berechnen, dass die Schweiz von zunehmender Sommertrockenheit betroffen ist. Gleichzeitig nehmen über das ganze Jahr durch Stark- und Extremniederschläge zu.

Regnet es denn nun insgesamt weniger oder eben doch mehr?

Es gibt zwar insgesamt weniger Regentage, aber wenn es regnet, dann regnet es in grösseren Mengen. Die gesamte Niederschlagsmenge über das Jahr bleibt dabei mehr oder weniger unverändert. Wenn, dann gibt es einen leichten Trend zu einer Niederschlagszunahme. Beträchtlich ist aber die Zunahme von Starkniederschlägen. Bis Ende des Jahrhunderts werden sie durchaus bis zu 30 bis 40 Prozent intensiver.

Was für Auswirkungen hat diese Wetterveränderung auf die Schweiz?

Es kommt häufiger zu Sturzflut-Ereignissen. Wenn über eine kurze Zeitdauer so viel Niederschlag fällt, kann das Abflusssystem nicht alles aufnehmen. Es kommt zu Überschwemmungen. Am 11. Juni 2018 gab es in Lausanne den stärksten kurzzeitigen Niederschlag, der in der Schweiz je gemessen wurde. In zehn Minuten regnete es 41 Millimeter. Normalerweise regnet es über die ganze Schweiz verteilt in einem Monat zirka 100 Millimeter. In Lausanne kam damals also ein halber Monatsniederschlag in 10 Minuten runter. Die Abflusssysteme konnte das natürlich nicht schlucken und es kam zu Überschwemmungen.

Regenrekord in Lausanne im Juni 2018. 

Gibt es Regionen, die von solchen Starkniederschlägen besonders betroffen sind oder sein werden?

Nicht wirklich. Solche Ereignisse werden überall zunehmen. Doch sie haben dort die grösste Wirkung, wo die Abflusskapazität klein ist oder wo es viele versiegelte Flächen gibt, sprich viel geteerte Strassen hat.

Wie müssen wir auf diese klimatischen Veränderungen reagieren?

Das wichtigste ist, dass der Klimawandel so gut wie möglich abgemildert wird, indem wir die Emissionen von Treibhausgasen reduzieren. Dann braucht es Anpassungsstrategien für die Veränderungen, die jetzt schon in Gang sind.

Und diese sind?

Wir sollten uns schon jetzt auf die Klima-Zukunft vorbereiten. Im Bereich von Starkniederschlägen sollten wir die Abflusssysteme und den Hochwasserschutz an das zukünftige Klima anpassen. Aber auch im Bereich von Hitzewellen müssen wir das zukünftige Klima berücksichtigen. Konkret: die gegenwärtige Architektur und Bauweise in der Schweiz sind auf das Winterklima ausgerichtet, aber wir sollten uns vermehrt um den Sommer kümmern. Denn in Zukunft wird es immer mehr sommerliche Hitzewellen geben, welche wir in der Vergangenheit noch nicht auf dem Radar hatten.