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Oberste Aargauer Lehrerin: «Klassen zusammenlegen muss eine absolute Notlösung bleiben»

Lehrpersonen sind Mangelware, sie können sich ihre Stelle im Aargau aussuchen. Darin sieht Lehrerverbandspräsidentin Kathrin Scholl einen Vorteil des Lehrermangels. Dass dieser zu immer mehr Notlösungen im Schulzimmer führt, sei aber eigentlich ein No-Go. 

Wie geht es den Aargauer Lehrerinnen und Lehrer zu Beginn des Schuljahrs 2022/23?

Kathrin Scholl: Die Verunsicherungen der letzten Zeit, mit der Pandemie und der Ukrainekrise, haben zu einer erhöhten Belastung geführt. Diese ist nach wie vor spürbar. Der erste Schultag ist aber auch schön. Man freut sich auf die neuen Kinder und das neue Schuljahr.

Lehrpersonen können sich, wegen des Lehrermangels, ihre Stelle inzwischen aussuchen. Ist das ein Vorteil?

Ja. So ist der Stellenwechsel möglich, wenn es an einem Ort nicht passt. Die Schulen müssen also ihre Qualität in der Schulführung und der Gesamtorganisation sicherstellen, wenn sie für Lehrpersonen attraktiv sein wollen. Man hat auch in diesem Jahr deutlich gesehen, dass gut funktionierende Schulen weniger Mühe haben, genügend Personal zu finden. Ich finde es nicht schlecht, wenn auch die Qualität der gesamten Schulführung Auswirkungen auf die Stellenbesetzung hat.

Besonders kritisch ist es, wenn Klassenlehrpersonen fehlen. Nur für vier Klassen konnte keine gefunden werden. Wie schätzen Sie das ein?

Es sind zwar nur vier Klassen, vielerorts hat man aber auf Übergangslösungen gesetzt. Wie lange diese in Kraft sein werden, weiss niemand, doch das Problem ist eigentlich nicht gelöst. Dort, wo niemand gefunden werden konnte, hat man Klassen zusammen gelegt. Das ist für uns Lehrerinnen und Lehrer eigentlich kein gangbarer Weg, denn durch die Klassengrösse wird die Lehrperson am stärksten belastet. Das muss eine absolute Notlösung bleiben.

Im Frühsommer hat das Bildungsdepartement eine Task Force zum Lehrpersonenmangel eingesetzt. Wie lief diese Zusammenarbeit?

Diese lief gut, denn der Einsatz des Bildungsdepartements war gross. Die Verantwortlichen haben vor und während den Ferien in den Schulen aktiv nachgefragt und sie unterstützt. Der Kanton ist den Schulen nähergekommen und er hat klar mitgeholfen, Lösungen zu finden.

Der Kanton hat ein Massnahmenpaket gegen den Lehrermangel geschnürt. Was braucht es aus Ihrer Sicht jetzt am drängendsten?

Jetzt müssen die Ideen umgesetzt werden. Insbesondere Berufseinsteiger müssen enger begleitet werden. Das finanzierte Coaching gibt es bisher nur für ungenügend qualifizierte Lehrpersonen. Ältere Lehrpersonen können mit diesen Mentorats- und Unterstützungsaufgaben in der Schule behalten werden.

Ein Grund für den Lehrermangel ist, dass viele derzeit ins Pensionsalter kommen. Warum kommen nicht genügend junge Berufsleute nach?

Der Lehrberuf ist spannend und anspruchsvoll. Vielleicht ist es ein Beruf, der eine gewisse Reife verlangt, die manche erst später erlangen. Ich bin daher froh über die Quereinsteigerausbildung, die sich an erfahrenere Personen richtet. Unterrichten ist vom ersten Tag an sehr anspruchsvoll, dabei kann Wichtiges, etwa Elternarbeit, erst richtig direkt im Job erlernt werden, auch darum ist das Mentoring so wichtig. Man kritisiert die Akademisierung des Lehrberufs, dabei geht es in der Ausbildung darum, für den Beruf befähigt zu werden. Diese Befähigung braucht es, damit man längerfristig mit Freude bestehen kann.