Peter Wanner: «Wir glauben an den Journalismus – und als eines der wenigen Unternehmen in der Schweiz auch an gedruckte Zeitungen»
Corina Eichenberger, warum verkaufen Sie das Zeitungsgeschäft an CH Media?
CE: Es wurde in den letzten Jahren schwierig, regionale Zeitungen herauszugeben, die wirtschaftlich funktionieren. Das gilt generell. Wir sind länger als andere eigenständig geblieben, kamen nun aber zum Schluss, dass es der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf ist. Es war ein Entscheid der Vernunft, und ich bin überzeugt, dass er richtig ist. So kann die Berichterstattung in der Region für die Region gesichert werden. Die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden kann weiterbeschäftigt werden.
Peter Wanner, warum passt das Zofinger Tagblatt und die Wochenzeitungen zu Ihrem Unternehmen?
PW: Wir sind mit unseren Zeitungstiteln im Kanton Aargau verankert, das Zofinger Tagblatt ist eine ideale Ergänzung. Mit dem ZT haben wir eine langjährige Zusammenarbeit: Die Zeitung wird bei uns gedruckt, und wir liefern überregionale und kantonale Inhalte. Zudem kooperieren wir im Werbemarkt. Als die ZT Medien auf uns zugekommen sind, weil es ihnen nicht möglich war, weiterhin eigenständig zu bestehen, war es entsprechend naheliegend, dass wir Hand geboten haben für eine Lösung.
In anderen Kantonen sind Zusammenschlüsse und Übernahmen schon vor 10 bis 20 Jahren vollzogen worden. Zofingen blieb länger als viele andere Verlage eigenständig. Wie schwer fällt dieser Schritt?
CE: Es überwiegt die Dankbarkeit. Ich bin froh, dass wir eine zukunftsfähige Lösung gefunden haben. Sie ist folgerichtig, weil sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen verändert haben.
Im Aargau beschleunigte sich die Pressekonzentration ab 1992: Das Badener Tagblatt übernahm das Aargauer Volksblatt. 1996 kam es zur Fusion mit dem Aargauer Tagblatt – die Aargauer Zeitung entstand. Jetzt folgt das ZT. Droht nun Einheitsbrei?
PW: Mit der ZT-Übernahme ändert sich für die Leserinnen und Leser nicht viel, denn das Zofinger Tagblatt übernahm ja schon bis jetzt die kantonale, nationale und internationale Berichterstattung. Der Titel ZT bleibt erhalten, die Lokalredaktion arbeitet weiterhin vor Ort. Einen Ausbau wird es für die ZT-Nutzer beim digitalen Angebot geben.
Frau Eichenberger, sie waren lange Nationalrätin. Inwiefern trägt die Politik eine Mitverantwortung dafür, dass in der Schweiz mehr und mehr Zeitungsverlage verschwinden?
CE: Ich würde der Politik nicht die Schuld geben. Natürlich hätte man die Medienförderung ausbauen können, und es gibt Instrumente, welche die Verlage im Übergang zum digitalen Zeitalter unterstützen. Aber die Mediennutzung ist im Wandel, jüngere Menschen informieren sich vermehrt über die sozialen Medien. Leider hat es faktenbasierte, objektive Berichterstattung schwer, und die Geschäftsmodelle dafür sind anspruchsvoll. Aber dies kann man nicht mit Subventionen rückgängig machen.
CH Media hält sich in diesem Umfeld und tätigt immer mal Zukäufe. Medienkolumnisten ausserhalb des Kantons fragen sich da manchmal: Wie kann sich das Verleger Wanner leisten?
PW: Wir glauben an den Journalismus – und als eines der wenigen Unternehmen in der Schweiz auch an gedruckte Zeitungen. Gleichzeitig treiben wir die digitale Transformation voran. Mit unseren Online-Angeboten gewinnen wir neue Abonnentinnen und Abonnenten. Man kann die schrumpfende Printvielfalt beklagen. Aber es ist dafür eine Kanalvielfalt entstanden. Print wurde zuerst durch Lokalradios, dann durchs Regionalfernsehen und zuletzt durch Online und Social Media ergänzt. Dank Synergien funktioniert unser Geschäftsmodell weiterhin. Wir erreichen, wenn man alle Kanäle zusammennimmt, mehr Menschen als früher.
Aber wie zukunftsfähig ist dieses Geschäftsmodell? Ihr Verlegerkollege der TX Group («Tages-Anzeiger»), Pietro Supino, warnte vor einer «Implosion» des Zeitungssystems, wenn die indirekte Presseförderung nicht aufgestockt wird…
PW: Die indirekte Presseförderung ist ein bewährtes und gut funktionierendes Mittel. Es vergünstigt die Postzustellung von Zeitungen; wir vertreiben jedoch einen grossen Teil unserer Zeitungen über Frühzustellorganisationen, die bislang nicht unterstützt werden. Unser Wunsch ist schon länger, dass auch diese gefördert werden. Eine Vorlage ist momentan im Parlament und wir hoffen darauf. Eine Zustimmung dazu würde uns und anderen Medienunternehmen helfen, zumal die Zustellung immer teurer wird.
Apropos Politik: Als es im Aargau im 20. Jahrhundert verschiedene eigenständige Zeitungen gab, standen die meist einer Partei nahe. Passen, historisch gesehen, das ZT und die AZ zusammen?
CE: Aus meiner Sicht sind sie sehr kompatibel. Beide verstehen sich als unabhängige, liberale Forumszeitungen, die verschiedene Meinungen zu einem Thema abbilden.
PW: Aargauer Tagblatt, Badener Tagblatt und Zofinger Tagblatt waren allesamt liberal-freisinnige Gründungen. Insofern passen sie historisch zusammen. Heute verstehen sie sich als Forumszeitungen. Ein klares Profil müssen sie trotzdem haben. Und das hat das ZT, das haben wir. Daran werden wir festhalten. Es braucht verschiedene Stimmen und Perspektiven in unserer Zeitung, damit sich Leserinnen und Leser sich ihre eigene Meinung bilden können.
Frau Eichenberger, was wünschen Sie sich von der lokalen Berichterstattung in Zukunft?
CE: Ich wünsche mir, dass weiterhin aus der Region Zofingen berichtet wird, dass die Stimme im Kanton erhalten bleibt.
Herr Wanner, auch ihr Unternehmen ist einem Kostendruck unterworfen, man muss auch sagen, dass nicht alle Mitarbeitenden bei der Übernahme ihren Job behalten können. Können Sie Frau Eichenbergers Wunsch erfüllen?
PW: Ja. Wir sind sehr sensibilisiert auf dieses Thema. Ich spreche gerne vom Kanton Zofingen innerhalb des Kantons Aargau (lacht). Der Aargau ist ein sehr komplexes Gebilde mit eigenständigen Regionen. Für Zofingen gilt das im Besonderen, es ist eine selbstbewusste Region. Dem werden wir Rechnung tragen. Zofingen wird seine eigene Regionalredaktion behalten.
Wie würden Sie, Frau Eichenberger, die Eigenheiten des Bezirks Zofingen umschreiben?
CE: Zofingen grenzt an Luzern, Bern, Solothurn und ist entsprechend überkantonal gut vernetzt. Zudem ist der Bezirk wirtschaftlich sehr bedeutend mit Unternehmen, die weit über die Region hinaus eine wichtige Rolle spielen. Das sind sicher Dinge, welche das Selbstverständnis der Region ausmachen.
Der Bezirk wirkt politisch divers: Hier die Stadt Zofingen mit starken rot-grünen Parteien, dort Landgemeinden mit sehr hohen SVP-Anteilen…
CE: Das stimmt. Das Zusammenleben erlebe ich aber über die Gemeinden hinweg als konstruktiv.
Was passiert eigentlich mit dem Online-Auftritt des Zofinger Tagblatts?
PW: Der Online-Auftritt soll gestärkt werden. Hier bringen wir mit CH Media entsprechend Erfahrung und Knowhow ein. Wir möchten auch jüngere Leute ansprechen mit einem attraktiven Angebot fürs Smartphone und fürs Web, und auch das E-Paper hat Potenzial. Es soll Kombiangebote geben für Online und Print, insbesondere was die «Schweiz am Wochenende» betrifft. Da werden wir investieren, um die Leserzahlen stabil zu halten oder diese sogar auszubauen.
Auch im Werbemarkt sind die Zeitungstitel wichtig in der Region. Was bedeutet der Wechsel für die Werbekunden?
CE: Dass die Region Zofingen nun vollständig integriert ist, macht es für Werbekunden attraktiver und einfacher.
PW: Das gilt auch für die beiden Anzeiger, die an uns übergehen. Der Landanzeiger floriert und ist bis in den Raum Aarau verankert, und der Wiggertaler ist im Raum Zofingen wichtig. Wir haben Ideen, wie wir diese Produkte für Werbekunden noch attraktiver machen können.
Es gibt aber auch bei Gratisanzeigern schweizweit Bereinigungen. Christoph Blocher ist mit Blättern eher auf dem Rückzug. Haben Landanzeiger und Wiggertaler eine wirtschaftliche Zukunft?
PW: Wir glauben an diese Gratiszeitungen. Aber ja, schweizweit gibt es eigentlich nur noch zwei grössere Verbünde, das sind wir und das sind die Zeitungen von Christoph Blocher. Wir stehen in direkter Konkurrenz, und die Märkte verändern sich.
Mit diesem Schritt wird Aargauer Mediengeschichte geschrieben. Haben Sie einen Wunsch an den Medienkanton Aargau?
CE: Guter Journalismus und faktenbasierte Information sind zentral für unsere direkte Demokratie. Ich wünsche mir, dass auch die nächsten Generationen den Wert dieses Gutes erkennen. Die nun getroffene Lösung für das Zeitungsgeschäft soll einen Beitrag dafür leisten.
PW: Der Auftrag, den wir uns selbst auferlegen, bleibt derselbe: Wir wollen in allen Gebieten, in denen wir tätig sind, die Bevölkerung mit Informationen versorgen. Dies möglichst objektiv und mit möglichst hoher Qualität. Das ist unser Anspruch. Und zwar lokal, kantonal und überregional.