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Podcast-Star Gülsha Adilji über toxische Beziehungen: «Mit den guten Boyfriends habe ich immer schnell Schluss gemacht»

Die Dating-Expertin der Nation ist überzeugter Single und will mit einer Bühnenshow aus Frauen Amazonen machen. Im Interview verrät sie, was hinter dieser Entscheidung steckt.

Ein Tag nach der Premiere von «Gülsha lernt Liebe» (siehe Box) sitzt die berühmteste Podcasterin der Schweiz («Zivadiliring») in der Zürcher Nachmittagssonne und googelt Jan Seven Dettwylers neue Freundin. «Ich bin süchtig nach Gossip», gesteht die 38-Jährige.

Es soll nicht ihr letztes Wort auf Englisch bleiben. Ein zu 98 Prozent weibliches Publikum, Frauen zwischen 20 bis Ende 30, hatte tags zuvor Gülshas Datinggeschichten im Kaufleuten-Saal gelauscht. «Ein bisschen ‹Preach to the choir› war das schon», sagt Gülsha und lacht.

Gülsha Adilji, würden Sie sich selbst daten?

Oh, sehr gerne! Ich wäre perfekt vorbereitet, es wäre lustig, und ich würde etwas Spannendes organisieren. Ich weiss ja, mir wird schnell langweilig.

Würden Sie sich nicht auf die Nerven gehen?

Das wissen wir nicht.

In Ihrer neuen Show betrachten Sie Liebe vor allem als Hormoncocktail. Warum?

Mich fasziniert seit meiner Jugend, wie Biochemie mit unserer Gefühlswelt zusammenhängt. Als ich mich vor drei Jahren von meinem Boyfriend getrennt habe, wurde mir klar, dass die vielen schlechten Entscheidungen bei der Partnerwahl auch so begründbar sind. Mit den guten Boyfriends habe ich immer schnell Schluss gemacht, weil sie mir zu langweilig waren. Stattdessen habe ich die hormonellen Hochs und Tiefs gesucht.

Warum?

Hormone wie Dopamin und Adrenalin können einen süchtig machen nach einer Person, obwohl man sich mit ihr schlecht fühlt und selten gut. Von meiner Therapeutin habe ich gelernt: Sobald mich ein Mann verunsichert, weil er gemischte Signale aussendet und damit diese hormonelle Kettenreaktion auslöst, bin ich Feuer und Flamme.

Sie haben der Romantik abgeschworen?

Gar nicht, ich kann mich immer noch voll in die Verliebtheit reinfallen lassen und sie auch geniessen. Und ich bin so auch nicht davor geschützt, dass ich in alte Bindungsmuster zurückfalle. Noch heute fühle ich mich stark angezogen von Männern, die schwer zu haben sind. Deshalb checke ich heute erst einmal ab, ob ich den Mann wirklich spannend finde oder ob er nur «hard to get» ist.

In der Show machen Sie Ihren Vater dafür verantwortlich.

Nicht nur, aber er hat bestimmt viel damit zu tun. Ich wusste bei meinem Vater nie, ist er traurig, ist er wütend? Er war immer ein sicherer Wert für mich, aber seine Emotionslosigkeit hat mich als Kind verunsichert. Man lernt Bindungsmuster in den ersten Lebensjahren in der Kernfamilie. Wenn du dir da keinen Reim auf die Emotionen machen kannst, die im Raum herumschwirren, kann sich das auf erwachsene Paarbeziehungen übertragen.

In Ihrer Show sitzen zu 98 Prozent Frauen. Warum hören die Ihnen so gerne zu?

Vermutlich weil ich häufig ausspreche, was sie denken und auch ungeschönt darauf eingehe, worunter wir alle leiden. Ich meine damit zum Beispiel den Periodenschmerz, dass wir unkontrolliert bluten, nie sicher sind, ob wir schwanger sind. Hinzu kommt, dass wir da draussen ständig auf der Hut sein müssen, dass uns kein Typ körperlich oder verbal bedroht. Und darüber hinaus leisten wir Frauen so viel Care-Arbeit. Wir können einfach nie gechillt sein.

Andere retten das Klima oder performen an der Börse. Was ist er gesellschaftliche Auftrag der Gülsha Adilji?

Ich möchte die Leute, die meine Show besuchen an ihre innere Amazone erinnern. Wir Frauen haben so viel Ressourcen, so viel Wissen, so viele Ideen, die wir gar nicht in die Welt tragen können, weil wir uns nicht trauen, unseren Raum einzunehmen. Damit meine ich auch so kleine Dinge, wie wenn mein Arbeitskollege mir in Meetings ständig übers Maul fährt. Manchmal muss man den Leuten dafür auch mal metaphorisch in den Hals boxen.(Lacht.)Und vor allem sollten wir nicht mit Männern, die nicht zurückschreiben, unsere Zeit verschwenden.

… die Sie auf Dating-Apps kennenlernen! Warum taugen diese Apps nichts?

Dieses miteinander anbandeln ist so langweilig. Man kriegt Fragen gestellt wie: «Hallo, bist du fit?» Und ich denke mir: Ist das jetzt der conversation starter?

Wie startet Gülsha?

Aktuell schreibe ich: «Wie finden wir heraus, dass wir ‹meant to be› sind?» Wenn dann zurückkommt: «Das finden wir heraus, wenn wir mal zusammen einen Kaffee trinken gehen», weiss ich, er hat meinen Humor nicht verstanden.

Sind Ihre Begegnungen mit Männern auf der Strasse aufregender?

Ich lerne im Alltag praktisch keine Männer kennen, aber sehr viele interessante Frauen. Und die sind deutlich reflektierter und facettenreicher als Männer. Vielleicht sind die spannenden Exemplare auch längst vergeben.

Was fehlt diesen Männern denn genau?

Man muss in eine Reflexion mit der Welt gehen können und Fragen stellen – das ist «the bare minimum»! Viele Männer wissen noch nicht mal, was das Wort Feminismus bedeutet. Ich meine das weder frustriert noch gehässig, aber da sollte Mann schon nochmals über die Bücher. Auch habe ich mittlerweile das Gefühl, dass, wenn ein potenzieller Boyfriend noch absolut gar keine Therapieerfahrung hat, noch nie ein Psychologiebuch gelesen oder einen Podcast gehört hat, wir nie dieselbe Sprache sprechen werden.

Einer, der von sich sagt, er sei halt so, ist jetzt wieder US-Präsident. Was bedeutet das für die Frauen?

Ich versuche das nicht persönlich zu nehmen, aber beim Gedanken, was für Moralvorstellungen und ultra-erzkonservativer Bullshit hinter diesem Donald Trump herumschwirrt, wird es mir schlecht. Auch deshalb ist es so wichtig, dass wir Frauen zusammenstehen und sagen: Hier ist meine Grenze und nicht weiter.

Wenn die alten Männer schon hoffnungslose Fälle sind: Taugen wenigstens die 20-Jährigen?

Die date ich ja nicht!(Lacht)Vom Gefühl her glaube ich aber, dass die Gen Z eine gute Generation ist. Die haben natürlich einen ganz anderen Umgang miteinander. Viele verstehen ohne grosse Erklärungen, dass Gender ein Spektrum ist, sie leben andere Beziehungsformen und setzen sich auch mit den grossen Themen auseinander wie zum Beispiel dem Klima.

Wäre es für Sie einfacher gewesen, wenn Sie die Liebe Ihres Lebens wie Ihre Urgrosseltern im Dorf nebenan gefunden hätten?

Nein, auf gar keinen Fall! Für mich ist Partnerschaft nicht relevant für mein Glück. Unsere Grossmütter und Urgrossmütter mussten einiges erdulden. Ich will nicht zurück in diese Zeit. Ich hole mir meine gesunde Dosis Dopamin, wenn ich herumreise, mal hier, mal dort einen Flirt habe und mir eine gute Zeit mache.

Sie sind Single und haben im Schweizer Fernsehen eine Dating-Show: Das ist so, wie wenn man als Abstinenzlerin Werbung für eine Wodka-Marke macht.

Die Trainerin spielt ja auch nicht mit. Ich habe alle Fehler gemacht, welche meine Dating-Kandidatinnen und -Kandidaten noch machen werden, darum kann ich guten Gewissens Host einer Dating-Show sein.(Lacht.)

Wie kann man in der Schweiz als Single am einfachsten einen Partner finden?

Auf der Arbeit, da kriegt man mit, wie eine Person in verschiedenen Situationen reagiert. Und da ist dann vielleicht plötzlich dieser Gustav, und du denkst: Wie der das bei dem Pitch gehandelt hat, einfach nur «Wow»!(Lacht.)

Worauf kommt es bei der Liebe an?

Wir sehen Liebe meist nur als ein Farbklecks, und das sind dann die grossen Gefühle. Aber Liebe ist ein Mosaik. Besser auf Slow-Burn-Beziehungen bauen! Jemanden ein zweites Mal auf einen Kaffee treffen und sich fragen: Welche Gefühle löst diese Person in mir aus? Ist da Geborgenheit, ist da Vertrautheit?

Und jetzt planen Sie auch noch eine Show für Männer: «Geschlechtsverkehrt» – was Männer über weibliche Körper wissen sollten. Was für eine Mission steckt da dahinter?

Ich spreche auf der Bühne mit einem Arzt aus der Gynäkologie über das Faszinosum «Frau», denn ich habe gemerkt, da sind noch ein, zwei Lücken. Zum Beispiel wissen viel zu viele Männer gar nicht, wie häufig ihre Partnerinnen die Pille einnehmen. Wir haben auch ganz viel abgefahrenes Zeugs aus der Medizingeschichte ausgegraben, etwa, dass der Vibrator von Psychiatern erfunden wurde, um Hysterie zu heilen oder die Kettensäge eigentlich ein Geburtsinstrument ist.

Gibt es eigentlich etwas, über das Sie nicht reden können?

Ich stehe in der Öffentlichkeit, seit ich Mitte 20 bin und habe innere Grenzen entwickelt, die ich gut spüre. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man über absolut alles sprechen kann und sollte. Nur wenn man offen kommuniziert, kann Gemeinschaft entstehen. Mir war immer wichtig, dass aus den Themen, die ich in der Öffentlichkeit bespreche, keine Schlagzeilen werden. Früher habe ich deshalb auch nie über mein Liebesleben gesprochen. Aber seit ich Single bin, spielt das keine Rolle mehr.(Lacht.)

Wie wird die 80-jährige Gülsha Adilji ihren Rücktritt aus der Unterhaltungsbranche ankündigen?

Sicher ist, dass ich noch auf dem Sterbebett senden und mich mitteilen werde. Vielleicht bin ich dann auch endlich ready für meine erste Realityshow – live aus dem Altersheim.(Lacht.)

In ihrer neuen Bühnenshow verarbeitet Podcast-Star Gülsha Adilji ihre Dating-Vergangenheit und ihre Erfahrungen mit toxischen Beziehungen. In einer Powerpoint-Präsentation nimmt sie uns mit zu den verrücktesten Männer-Exemplaren, die ihr auf Dating-Apps wie Bumble untergekommen sind.

Sie objektiviert humorvoll Männer, wie Männer (weniger humorvoll) Frauen objektivieren, zitiert ihre Therapeutin und zeigt sich mal ernst und verletzlich, dann mal wieder witzig-kämpferisch. Ihre Botschaft: Macht’s nicht wie ich!

Nächste Auftritte: Südpol Luzern (8./9.11.) Stadtsaal Wil (14.11.), Bierhübeli Bern (26./27.11.), Aeschbachhalle Aarau (14.12.), Kaufleuten Zürich (16.12.) (jst)