Polizeisprecher zum Einsatz in Zofingen: «Der Schutz von Menschenleben steht im Vordergrund»
Nach Angaben der Kantonspolizei Aargau ging am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr ein Notruf ein,wonach ein Mann in Zofingen wahllos Passanten angreife und verletze. Die Polizei riegelte das Städtchen sofort mit einem Grossaufgebot ab. Zahlreiche Leserreporter berichteten, dass es nur so von Polizisten wimmelte. Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, erklärt gegenüber ArgoviaToday, warum das richtig war.
Wie geht die Polizei bei einem solchen Vorfall vor?
Bernhard Graser: Der Fall Zofingen zeigt, wie es bei der Polizei zugeht. Wir erhalten eine Meldung, die sehr dramatisch klingt, aber auch so ist. In der ersten Phase haben wir noch keinen Überblick, wir bekommen immer wieder neue Meldungen von Verletzten, von einem Einzeltäter, der wahllos auf Passanten losgeht. Wenn wir so etwas hören, müssen wir mit allem, was wir haben, reagieren. Das haben wir am Mittwoch auch getan, wir sind mit einem Grossaufgebot und allen verfügbaren Kräften nach Zofingen ausgerückt und haben dementsprechend auch die ganze Umgebung abgesperrt, damit nicht noch mehr Leute in den Gefahrenbereich gelangen.
Wie geht die Polizei mit Gaffern um?
Das beste Mittel gegen Gaffer oder Schaulustige, aber auch gegen Passanten, die unterwegs sind und ohne böse Absicht in den Bereich kommen, ist die Absperrung. Das geht am besten, wenn wir ein festes Objekt oder eine Strasse haben. In Zofingen hatten wir ein Gebiet, das noch nicht definiert war. Es war dynamisch, weil der Täter zu Fuss unterwegs war, und so ist es schwieriger, in kurzer Zeit gleichzeitig abzusperren, weil wir auch einen Überblick schaffen müssen. Deshalb hilft hier nur eine grossräumige Absperrung und ein konsequentes Fernhalten der Leute.
Wie haben die Polizisten reagiert, als die Meldung kam?
Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, ich war zu diesem Zeitpunkt im Polizeikommando und als diese Meldung aus Zofingen hereinkam, haben wir uns einander angeschaut, weil man so etwas im Aargau selten bis nie kennt. Die Notrufzentrale gab die Informationen und Meldung an alle heraus, gewisse Polizistinnen und Polizisten hatten zudem in Rothrist einen Kurs. Die hat man abgezogen und gleich nach Zofingen geschickt. Diverse Sondereinheiten hat man aufgeboten, auch Polizistinnen und Polizisten, die an ihrem freien Tag oder in den Ferien waren, sind sofort vor Ort gekommen. In einem solchen Fall muss man auch eine Führungsstruktur aufbauen, damit es keine Chaosphase gibt. Das ist uns gut gelungen, sodass wir den Täter unter Kontrolle hatten und ihn festnehmen konnten.
Warum ein Grossaufgebot der Polizei, inklusive der Sondereinheit, wegen einer Person?
Man muss ganz klar sehen, am Anfang wussten wir nicht, ob es nur eine Person ist oder ob da mehrere dahinterstecken. Eine Person, die mit einem Messer oder etwas anderem bewaffnet ist, reicht aus, um grossen Schaden anzurichten. Bei dem Fall in Zofingen haben wir sechs Personen, für die das Leben mit einem Schlag eine ganz andere Wendung genommen hat. Das sind Menschen, die für den Rest ihres Lebens seelisch und körperlich gezeichnet sein werden. Allein für sie ist es unsere Aufgabe, so vorzugehen. Dass jetzt jemand den Bus verpasst hat oder nicht nach Hause gekommen ist, das gehört in diesem Fall einfach dazu. Der Schutz von Menschenleben, das steht in im Vordergrund. Deshalb greifen wir auch strenger durch als nur lasch, sonst haben wir noch mehr Opfer zu verzeichnen.
Zofingen war voller Polizisten, hat man genügend Einsatzkräfte, falls an einem anderen Ort noch etwas passiert wäre?
Wir hatten am Mittwoch ein grosses Aufgebot an Kräften, eine hohe Konzentration war notwendig, zu Recht, wenn man so eine dramatische Situation hat. Bei der Polizei gehört vieles dazu, nicht nur die Dinge, die man als Bürger sieht. Im Hintergrund laufen die ganzen Ermittlungen, die Befragungen von unzähligen Augenzeugen, zudem muss eine ganze Staatsorganisation funktionieren, Absprachen mit der Justiz, das sind Dinge, die man von vorne nicht sieht. Das alles kostet enorme Kräfte, und wir haben viele Spezialfunktionen, die von den Polizistinnen und Polizisten neben dem Dienst ausgeführt werden. Wir konnten unsere Aufgabe im ganzen Kanton weiterhin wahrnehmen, aber es hätte durchaus sein können, dass wir ein Anliegen, das unterhalb der Schwelle lag, nicht an die Polizei hätten herantragen können und es wäre auf später verschoben worden.
Was ist in einem solchen Fall besonders herausfordernd?
In der Notrufzentrale gehen täglich rund 400 Notrufe ein, da geht es in erster Linie darum, die Meldung zu verifizieren. Es gibt Meldungen, die klingen sehr dramatisch und übertrieben, es gibt aber auch Meldungen, die klingen harmlos, sind aber dramatisch. Im Fall von Zofingen hatten wir beides und wir wussten von Anfang an, was gemeldet wurde, es hatte Hand und Fuss. Dementsprechend sind wir mit einem Grossaufgebot ausgerückt, was sich auch gelohnt hat.
Wie läuft der Austausch mit der Sondereinheit Argus?
Die Sondereinheit Argus ist nur eine von unseren Spezialfunktionen. Zum Beispiel kann man auch die Verhandlungstruppe oder die Diensthundetruppe aufbieten. Die Polizistinnen und Polizisten üben das alles neben dem normalen Dienst aus. All diese Spezialfunktionen sind im System hinterlegt. Ob unterwegs bei der Patrouille, im Ruhetag oder in den Ferien, bei nötigem Gebrauch kann man sie wie die Feuerwehr alarmieren und aufbieten. Sind sie dann im Einsatz, ist die Herausforderung bei den Verbindungen und den Informationen. Die Angaben müssen fliessen und man muss sie bündeln und verifizieren, sodass es nicht zu Missverständnissen kommt oder man beim Einsatz nicht doppelspurig fährt. Das ist zugleich auch eine Führungsaufgabe, die auch in der ersten Phase immer schwierig ist. Für eine solche straffe Führung werden wir bei der Kantonspolizei trainiert und üben dies auch immer wieder.
Wann kommt die Sondereinheit Argus zum Zug?
Die Spezialeinheit Argus kommt in besonders gefährlichen Situationen zum Einsatz. Vor allem dann, wenn eine vertiefte Ausbildung, Spezialkenntnisse oder eine spezielle Ausrüstung und Bewaffnung notwendig sind. In Zofingen war es ein klassischer Fall, wir hatten einen bewaffneten Täter. Im ersten Moment muss man sehen, dass diese Spezialeinheit nicht einfach stehend ist und ausrückt, wenn etwas passiert – man muss zuerst alle alarmieren. In der ersten Phase haben die normalen Polizistinnen und Polizisten auch eine Ausbildung, um in diesen Situationen zu reagieren. Aber vor allem wenn wir einen Schritt weiter gehen können, wenn die Situation unter Kontrolle ist oder wenn wir sie planen können, dann bieten wir, um verschiedene Risiken zu vermeiden, unsere Profis der Spezialeinheit auf.