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Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gibt sich moderat – und löst einen Streit beim Staatssender «RAI» aus.

In einer programmatischen Rede hat sich die erste Frau an der Spitze der italienischen Regierung gemässigt präsentiert. Sie habe noch nie Sympathien für Regimes gehegt, «auch nicht für faschistische». Und sie erlaubt sich eine Marotte, die viel zu reden gibt.

Meloni besteht darauf, «Ministerpräsident Italiens» genannt zu werden. Auf italienisch: «IL Presidente del Consiglio dei Ministri», nicht «LA Presidente», obwohl die männliche und weibliche Form von «Presidente» identisch sind, oder gerade deswegen.

Der neue Ministerpräsident also, gleichzeitig il Presidente der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, hat gestern drei Tage nach der Vereidigung durch Staatspräsident Sergio Mattarella im Abgeordnetenhaus seine Antrittsrede gehalten und danach die Vertrauensabstimmung gewonnen.

«Ein gefährlicher Rückschritt»

Die Bezeichnung ihres neuen Amts ist nicht Teil der programmatischen Rede von Meloni gewesen, aber natürlich sehr wohl Programm. Feministinnen machen darin bei der konservativen Meloni einen anti-feministischen Reflex aus.

Die sardische Schriftstellerin Michela Murgia, die in ihren Werken gendert wie keine andere, betont, dass es keinen grammatikalischen Grund gebe, dem Wort Presidente nicht den weiblichen Artikel voranzustellen. «Wenn Meloni auf der Verwendung des männlichen Artikels besteht, dann hat das einen symbolischen Grund: Sie will damit sagen: Ich werde wie ein Mann regieren.» Das Machtmodell Melonis sei das männliche, patriarchalische.

Giorgia Meloni zu Gast beim staatlichen TV-Sender RAI im Jahr 2020, bei dem sie mit ihrem Wunsch, «Ministerpräsident» genannt zu werden, jetzt einen internen Streit ausgelöst hat.
Riccardo Antimiani / EPA

Im Staatssender «RAI» hat der Titel Melonis bereits zu einem Streit zwischen der Journalistengewerkschaft und der Chefetage geführt. Die RAI-Führung hatte in einer internen Weisung an die Redaktion angeordnet, dass Melonis Wunsch entsprochen und sie als «il Presidente» bezeichnet werden solle.

Die Gewerkschaft dagegen betonte, dass man in Italien bezüglich der Verwendung weiblicher Titel und Funktionsbezeichnungen im Vergleich zum Ausland ohnehin schon nicht brilliere. Die männliche Bezeichnung von Melonis Amt sei auf diesem bereits tiefen Niveau «ein gefährlicher Rückschritt».

«Effizientere Integration» als Ziel

Abgesehen von der Sprach-Marotte (oder Sprach-Provokation) hat sich die erste Frau an der Spitze der italienische Regierung gestern bemüht, eine möglichst unparteiische Rede zu halten und sich sowohl gegenüber den Italienerinnen und Italienern als auch gegenüber dem Ausland als moderat und verantwortungsvoll zu präsentieren.

Sie versuchte damit, etwaige Bedenken zu zerstreuen, wonach Italien unter der neuen Rechtsregierung zu einem autoritärem System mutieren könnte: «Ich hatte nie Sympathien für Regimes, auch nicht für faschistische», betonte Meloni. Die Verbrechen der Vergangenheit könnten durch nichts gerechtfertigt oder gegen andere Verbrechen aufgerechnet werden.

Zum künftigen Verhältnis der neuen Regierung zur EU erklärte sie, dass Italien immer ein wichtiger Teil des Westens und seiner Bündnisse gewesen sei und dies auch bleiben werde. Italien werde künftig aber selbstbewusster auftreten und seine Interessen verteidigen.

Will die italienische Migrationspolitik «effizienter» gestalten – Giorgia Meloni bei ihrer Rede im italienischen Unterhaus.
Alessandra Tarantino / AP

«Wer sich bezüglich der Integration Europas Fragen erlaubt, ist nicht einfach ein Feind oder ein Häretiker, sondern ein Pragmatiker, der sich zu sagen traut, wenn etwas besser funktionieren könnte. Es braucht heute eine effizientere Integration, um die grossen Herausforderungen bestehen zu können», betonte Meloni. Nichts ändern werde sich auch bei der Unterstützung der Ukraine, betonte sie.

In der Haushaltpolitik stellte die 45-jährige Römerin einen Abbau der Schuldenquote in Aussicht. «Aber der Weg, um Schulden zu reduzieren, ist nicht die blinde Sparpolitik, die in den vergangenen Jahren dem Land auferlegt wurde, sondern ein dauerhaftes und strukturelles Wachstum.»

Sie stellte von der Energiekrise betroffenen Familien und Firmen staatliche Hilfen in Aussicht. Bereits ihr Vorgänger Mario Draghi hatte zu diesem Zweck in mehreren Hilfsdekreten insgesamt über 60 Milliarden Euro bereitgestellt. Zur Klimakrise verlor Meloni dagegen kein Wort – diese kommt im Vokabulars des neuen italienischen Ministerpräsidenten nicht vor und ist auch nicht Teil seiner Prioritäten.