
«Jetzt ist fertig philosophiert, jetzt wollen wir wissen, was KI-Handwerk kann»

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Künstliche Intelligenz ist schon tief in den Alltag vorgedrungen – oft, ohne dass wir es überhaupt merken. Und viele sind mit dem Thema im Arbeitsalltag überfordert: Welche Tools taugen etwas, welche nicht? Wo sind die Chancen, wo die Risiken? Diese Fragen standen im Zentrum des KI-Innovationstags im Rathaus Zofingen. Ziel war, KI anwenderorientiert unter die Leute zu bringen, wie die Köpfe hinter der Veranstaltung, der Zofinger Strategieberater Urs Vögeli und der regionale Wirtschaftsförderer Adrian Borer, sagen. Das zt Talk-Team hat am KI-Innovationstag fünf Gäste zu einem kurzen Gespräch eingeladen.
Wirtschaftsförderer Adrian Borer: «Das kann nur ein Anfang sein»
«Das Thema KI beschäftigt alle», hat Wirtschaftsförderer Adrian Borer im Gespräch mit Kleinunternehmern festgestellt. Die Neugier, die ihn umtreibt, beobachtet er überall. Und immer wieder hört er die Frage: «Was mache ich, damit ich den Zug nicht verpasse?» Den KI-Innovationstag hat er auf die Beine gestellt, um neugierige Unternehmer mit ihren Fragen zu KI abzuholen. «Das kann nur ein Anfang sein.»
Strategieberater Urs Vögeli: «Jetzt ist fertig philosophiert»
«KI ist seit Jahren ein Hype-Thema», sagt Mitorganisator Urs Vögeli, «und Fluch und Segen zugleich. Es bestehen Ängste, gleichzeitig wollen uns die grossen Tech-Konzerne ihre Tools schmackhaft machen.» Den Innovationstag habe er mitorganisiert, damit sich die Teilnehmenden ganz praktisch mit KI auseinandersetzen können. «Es gibt vieles, das gratis bis günstig zur Verfügung steht. Wir haben uns gesagt: ‹Jetzt ist fertig philosophiert, jetzt wollen wir wissen, was KI-Handwerk kann.›»
Vögeli rät, keine Angst vor dem Experimentieren zu haben. «Heute muss man auch ein Tüftler sein. Man muss den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Die Tools sind ja so gemacht, dass sie jeder niederschwellig ausprobieren kann.»
Insgesamt brauche es im Umgang mit KI einen kritischen Blick. «Man muss wissen, was die Tools können – und was nicht.» Dass sich künstliche Intelligenz verselbständigt und ein eigenes Bewusstsein entwickelt, glaubt er nicht. «Von diesen übertriebenen Ängsten muss man sich verabschieden.» Besteht nicht die Gefahr, dass Unternehmen eines Tages wichtige Entscheide – zum Beispiel bei Neueinstellungen – einer KI überlassen? Das passiere in den HR-Abteilungen schon heute, sagt er. «Diesbezüglich wünsche ich mir generell, dass Führungspersonen wieder mehr Leadership übernehmen.»
Grafikdesignerin Sandra Thueler: «Ich setze KI fast überall ein»
Sarah Thueler ist Grafikdesignerin in Zofingen. Sie zeigte den Teilnehmenden am Innovationstag, wie sie KI-Tools im Marketing einsetzen. Einsteigern rät sie, auf Tools zu setzen, die sich bereits etabliert haben – wie beispielsweise ChatGPT. «Damit lassen sich inzwischen nicht nur Texte, sondern auch sehr gute Bilder generieren.» Mit ChatGPT könne man sicher nichts falsch machen. «Es gibt viele Tools, die kommen und gehen. Dabei kann man auch viel Geld ausgeben.»
Wäre sie inzwischen bei ihrer Arbeit ohne KI hilflos? «Hilflos nicht. Ich würde mehr von Hand schreiben.» Inzwischen sei es für sie viel einfacher, Texte für verschiedenste Zwecke mit KI-Unterstützung zu generieren. «Ich setze KI fast überall ein.»
Fakt ist auch, dass in ihrer Branche Unruhe herrscht. «KI nimmt uns sehr viel weg.» Das spürten grössere Agenturen, aber auch Einzelunternehmer, die Grafikdesign anbieten. Denn gerade kleine Unternehmen, die Bedarf dafür haben, greifen für solche Aufträge auf KI-Tools zurück.
Welche Fehler im Einsatz von KI-Anwendungen beobachtet Sarah Thueler immer wieder? «Einerseits die Anwendung von Tools, die noch nicht ausgereift sind.» Ein anderer Fehler ist, schlechte Prompts – damit sind Anweisungen oder Befehle gemeint – zu schreiben. Nicht zu wissen, wie man einen solchen Befehl schreibt, ist eine Falle, in die viele Anwenderinnen und Anwender laufen.
Lern-Experte Marco Jakob: «Mehr Vertrauen in die Kinder»
Der Gymnasial- und Berufsschullehrer Marco Jakob ist Co-Geschäftsführer des Berner Lehrbetriebverbundes Yolu. «Wir haben mit KI an den Schulen inzwischen eine absurde Situation», sagt er. Lehrpersonen nutzen KI, um Lernziele zu definieren. «Diese spukt Lektionen und Präsentationen aus.» Die Schülerinnen und Schüler füttern die Aufgaben einer KI, um sie zu erledigen. «Die Lehrperson lässt die Aufgaben dann wieder von KI korrigieren – so geht das Spiel hin und her. Und die Frage ist, wo dabei das Lernen bleibt.» Wenn aber ein Schüler vor einer Aufgabe stehe, die er wirklich wolle, dann lerne er sehr viel. Die Herausforderung sei, Settings zu gestalten, in denen das Lernen auf eine intrinsische Weise passieren könne.
Und was rät er Eltern, die befürchten, dass ihre Kinder die Hausaufgaben nur noch von KI erledigen lassen? «Ich finde es gar nicht so schlecht, wenn Hausaufgaben von KI erledigt werden, weil diese oft nicht sehr sinnvoll sind.» Kinder seien schlau und suchten nach Wegen, zu schlauen Resultaten zu kommen. «Wenn das Resultat in einer guten Note bestehen muss, dann nehmen sie das beste Werkzeug, und das ist dann vielleicht ChatGPT. Das ist doch eine schlaue Sache.» Eltern müssten mehr Vertrauen haben: «Das Lernen, das wichtig ist, passiert, wenn Kinder in einem gesunden Umfeld leben.» Das können Erwachsene beeinflussen. Sie könnten dafür sorgen, dass Kinder interessante Projekte, die sie wirklich wollen, anpacken können.
Geopolitik-Analyst Remo Reginold: «KI führt zu einem grossen Machtgefälle»
Remo Reginold ist Geopolitik-Analyst, Strategieberater und Verwaltungsratspräsident eines KI-Startups. KI sei nach wie vor für viele eine Black Box, in die vieles hineinprojiziert werde. «Eine Maschine, die alles lösen kann – fast gottähnlich. Wenn man von einem solchen KI-Bild ausgeht, dann hat man vieles verfehlt».
Besser sei das Bild von «Insellösungen für sehr spezifische Probleme». Allerdings glaubt Reginold, dass KI die Gesellschaft ganz neu prägt. «Es wird jene geben, die die Black Box verstehen und die Anwendungen initiieren, und es wird die Anwenderinnen und Anwenderinnen geben.» Jene, die die Systeme verstehen, werden laut Reginold die Gesellschaft treiben. Zwischen ihnen und jenen, die KI nur anwenden, werde es ein grosses Machtgefälle geben.
Eine zentrale Frage sei deshalb, wer künftig Macht über KI-Systeme ausüben kann. Auch auf den Bildungssektor kämen grosse Herausforderungen zu. Lehrpersonen, die junge Menschen zu kritischem Denken bringen sollen, beneide er nicht. Eine Herausforderung sieht Reginold auch in der Entwicklung zu immer autonomeren Maschinen, die selbst nach Wegen suchen, um Probleme zu lösen – was zu dystopischen Szenarien führt. «Es ist deshalb wichtig, dass wir uns mit dieser Black Box auseinandersetzen und sie entmystifizieren.»