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Sind abgetauchte Straftäter eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit? Das antwortet der Regierungsrat

Hunderte Straftäter leisten im Aargau jedes Jahr eine gemeinnützige Arbeit, um ihre Strafe nicht im Gefängnis absitzen zu müssen. Doch manche tauchen ab. Nun antwortet der Regierungsrat auf kritische Fragen von SVP-Grossrätin Nicole Heggli-Boder.

Drei Straftäter erhielten vom Kanton die Zusage, ihre Strafe mit einer gemeinnützigen Arbeit abzugelten. Doch dann verschwanden die beiden Schweizer, 35 und 42 Jahre alt, sowie der Deutsche, 53, von der Bildfläche und traten die Arbeit doch nicht an. Der Kanton verfügte deshalb deren Abbruch im Amtsblatt. Diesen Schritt nimmt die Behörde vor, wenn Wohnadresse und Aufenthaltsort einer Person nicht mehr bekannt ist und die Verfügung nicht per Post zugestellt werden kann.

DieAZ machte diese drei Fälle publik. 2023 hatte das Amt für Justizvollzug 140 von 369 abgeschlossenen Verfahren abgebrochen, schrieb das Innendepartement von Regierungsrat Dieter Egli (SP) auf Anfrage. Das entspricht einer Quote von 38 Prozent. Welche Strafe die drei Männer kassiert hatten, darüber hüllte sich es allerdings in Schweigen.

Doch nun bricht es der Regierungsrat. In seiner Antwort aufeine Interpellation von SVP-Grossrätin Nicole Heggli-Boderführt er aus, die drei Männer seien zu Bussen beziehungsweise Geldstrafen verurteilt worden. Also nicht zu Freiheitsstrafen. Dies stand nämlich im Raum. Eine gemeinnützige Arbeit anstelle einer Haftstrafe anzutreten, ist bei Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten grundsätzlich möglich.

Nicole Heggli-Boder sitzt seit 2017 im Grossen Rat.
Bild: zvg

Das Schweizer Strafrecht unterscheidet drei Arten von Strafen: Übertretungen, Vergehen und Verbrechen. Vom Gesetz her sei die gemeinnützige Arbeit nur bei geringfügigen Delikten möglich, schreibt der Regierungsrat. Meist handle es sich um Übertretungen wie Schwarzfahren im öffentlichen Verkehr, Ungehorsam des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren, geringfügige Vermögensdelikte und ähnliche Straftaten. Vereinzelt seien es Vergehen wie Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch oder Strassenverkehrsdelikte.

«Sicherheit in keiner Weise gefährdet»

«Ist die Sicherheit der Bevölkerung durch das Abtauchen von solchen Straftätern gefährdet?» Das wollte Heggli-Boder unter anderem vom Regierungsrat wissen. «Durch das Abtauchen dieser Personen war und ist die Sicherheit im Kanton in keiner Weise gefährdet», antwortet er. «Würde eine solche Gefahr bestehen, hätte bereits das urteilende Gericht die umgehende Inhaftierung der verurteilten Person angeordnet.»

Die Gründe für den Abbruch einer gemeinnützigen Arbeit seien vielfältig, schreibt der Regierungsrat. Er nennt als Beispiele mangelnde Kooperation von Betroffenen mit der Vollzugsbehörde, mangelnde Arbeitsfähigkeit oder neue Urteile, durch die sich die Freiheitsstrafe auf über sechs Monate verlängert. Dann ist eine gemeinnützige Arbeit per Gesetz verboten.

Fluchtfälle sind selten, so der Regierungsrat

«Fälle, in denen sich die verurteilte Person tatsächlich durch eine Flucht beziehungsweise durch Abtauchen dem Strafvollzug zu entziehen versucht, sind selten», so der Regierungsrat weiter. Viel öfter seien Fälle, bei denen die Post des Amts für Justizvollzug nicht zugestellt werden könne, «weil beispielsweise der Briefkasten nicht korrekt angeschrieben ist oder die Person umgezogen ist, ohne dies der Vollzugsbehörde zu melden». Auch in solchen Fällen müsse das Amt einen Abbruch verfügen. Dann werde die Person zur Aufenthaltsforschung oder Verhaftung polizeilich ausgeschrieben.

Nimmt das Innendepartement wegen der hohen Zahl an Fällen eine Analyse vor? Aus Sicht des Regierungsrats sei eine Analyse der Abbruch-Fälle nicht notwendig, schreibt er. Er sehe auch keinen Handlungsbedarf, um die Zahl der Abbruchfälle nach unten zu korrigieren, wie er auf die entsprechende Frage von Heggli-Boder antwortet. «Es sollte entsprechend primär im Interesse der betroffenen Person sein, dass es zu keinem Abbruch der gemeinnützigen Arbeit kommt», hält der Regierungsrat fest.

Engmaschige Kontrollen würden die Zahl dieser Fälle zwar möglicherweise reduzieren, würden aber zu einem grossen Personalaufwand bei der Vollzugsbehörde führen. Das würde aber im Widerspruch zum Ziel der gemeinnützigen Arbeit stehen. Diese soll ja die Gefängnisse entlasten und die Kosten reduzieren.