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Verwahrter Aargauer Mörder kämpft für Ausgang und mehr Besuchszeit – und hofft auf ein Leben in Freiheit

1989 ermordete ein 20-Jähriger eine Chefsekretärin mit der Schere und verging sich sexuell an ihr. Mittlerweile befindet er sich seit fast 20 Jahren in der Verwahrung. Er kritisiert seine Haftbedingungen – auch im Hinblick auf seine Resozialisierung.

Der Brugger «Sekretärin-Mörder» von Brugg sitzt seit über 35 Jahren hinter Gittern. Nun hat sich das Verwaltungsgericht mit einer Beschwerde von ihm befassen müssen. Dabei ging es allerdings nicht um den Mord, doch bleiben wir erst bei dieser brutalen wie ungewöhnlichen Tat vom 23. September 1989.

Der damals 20-Jährige betrat an jenem Samstag die Räume jenes Architekturbüros in Brugg, in dem er die Lehre als Tiefbauzeichner absolviert hatte. Den Schlüssel hatte er während der Lehre gestohlen. Auf der Suche nach Geld hörte der Rekrut, wie jemand eine Etage tiefer ins Büro kam. Es war die 61-jährige Chefsekretärin, die drei Monate vor ihrer Pensionierung stand. Sie wollte – wie so oft – dringende Arbeiten erledigen.

Er verging sich sexuell am Opfer

Was dann passierte, schilderten das «Aargauer Tagblatt» und das «Badener Tagblatt» in den Bericht zur Gerichtsverhandlung zwei Jahre später wie folgt: Erst versteckte sich der 20-Jährige. Um 16 Uhr jedoch trat er plötzlich in das Büro der Chefsekretärin, die an der Schreibmaschine sass. Nun folgte eine Stunde, in dem die beiden miteinander diskutierten und kämpften.

Er stach mit einer Schere zu und sperrte die Verletzte in die Toilette. Die gab ihm den Schlüssel zur Geldkassette. Als sie die Flucht riskierte, fesselte er sie an einen Bürostuhl, knebelte und drosselte sie mit einem Seil, stach ihr in den Hals. Er verging sich sexuell an der Toten, zündete sie mit Spiritus an, um Spuren zu zerstören. Doch das Feuer erlosch wegen zu wenig Sauerstoff. Die Beute des 20-Jährigen: 1500 Franken und die Handtasche des Opfers.

Der Firmenchef fand das Opfer am Sonntag tot, «gezeichnet von heftigem Kampf und vielen Stichwunden neben einem Bürostuhl, nackt und mit halb verbranntem Papier bedeckt». Die Polizei kam dem Mörder schnell auf die Spur. Auch, weil er drei Tage nach dem Tötungsdelikt hätte vor Gericht erscheinen sollen. Im Mai 1988 hatte er um Mitternacht in einem Wohnblock in der Region Brugg eine 24-Jährige im Lift mit dem Messer bedroht. Er fuhr mit ihr in den Keller und wollte sie sexuell gefügig machen. Sie wehrte sich, er schlug ihr mehrmals mit dem Messergriff auf den Kopf. Sie erlitt geringe Verletzungen und einen Schock.

Im September 1991 verurteilte das Bezirksgericht Brugg den Täter wegen Mordes zu 16 Jahren Zuchthaus. Ein psychiatrisches Gutachten attestierte ihm eine schizoide Persönlichkeitsstörung. Er sei überdurchschnittlich intelligent, ordentlich und tüchtig in Schule und Lehre gewesen. Doch er habe seine Gefühle nicht im Griff. Er wurde als unauffällig und introvertiert beschrieben und mit einer «unrealistischen Wahrnehmung des Geschehens rundum». Das Gericht ordnete eine Psychotherapie an, doch sie blieb ohne wesentlichen Erfolg. Im Oktober 2005 ordnete dasselbe Gericht die nachträgliche Verwahrung an.

Kampf für bessere Bedingungen in der Verwahrung

Danachwehrte er sich mehrfach ohne Erfolg für bessere Haftbedingungen, zum Beispiel begleiteten Ausgang. Auf sein Gesuch hin wurde der Mörder Ende 2021 in die Justizvollzugsanstalt Solothurn verlegt, in eine Wohngemeinschaft mit sechs Verwahrten, die getrennt von Straftätern im früheren Direktorenhaus untergebracht sind.Bis vor dem Bundesgericht kritisierte er erneut die Haftbedingungen. Der Verwahrte beklagte eine Verletzung der Menschenrechte, weil sich sein Vollzug als Verwahrter während 16 Jahren nicht von dem eines Straftäters unterschieden habe und er auch nicht getrennt von diesen in Haft war. Ihm sei etwa verwehrt worden, einen MP3-Player und das Internet zu nutzen.

Auch alltägliche Verrichtungen wie Kochen, Waschen und Putzen habe er nicht eigenverantwortlich wahrnehmen können. Längere Zellenöffnungen und eine grosszügigere Hofbenutzung wurden ihm nicht gewährt. Er habe die Art seiner Arbeit nicht selbst wählen können. Buchbinder hätte es sein sollen. Stattdessen hatte er etwa in der Glätterei der JVA Lenzburg gearbeitet. Die Arbeit sei auch nicht besser entlöhnt worden als im Strafvollzug. Und er habe keinen freien Zugriff auf sein Sperrkonto erhalten.

Teil seiner Kritik: Der Vollzug seiner Verwahrung sowie seine Therapie seien nicht auf die Resozialisierung und ein Leben in Freiheit ausgerichtet. Er beklagte, dass er keine Ausgänge und Urlaub erhalte. Ihm sei nicht mindestens zehn Stunden Besuchszeit pro Monat zugesprochen worden sowie mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche von Verwandten.

Gutachten beinhaltet eine schlechte Prognose

Das Bundesgericht verneinte einen Verstoss gegen die Menschenrechtskonvention. Doch es wies den Fall zurück an die Vorinstanz. Sie müsse beleuchten, ob der Strafvollzug für den Verwahrten ein Verstoss gewesen sei. Dies hat das Aargauer Verwaltungsgericht in seinem kürzlich publiziertenUrteilverneint. Es gebe keine Grundlagen in Gesetz oder Vollzugspraxis dafür, dass Personen im Verwahrungs- von solchen im Strafvollzug zu trennen sind, schreibt es. Verwahrte erhielten grundsätzlich die gleiche Behandlung wie Personen im Strafvollzug, würden also nicht begünstigt. Wobei das Verwaltungsgericht anfügt, dass es durchaus Empfehlungen, etwa vom Bundesamt für Justiz gebe, die darauf abzielten.

Den freien Internetzugang lehnt das Verwaltungsgericht mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit ab: Damit liesse sich kaum kontrollieren, ob Inhaftierte kriminelle Aktivitäten entwickeln. Eigenverantwortliches Kochen, Waschen oder Putzen werde zwar in der JVA Lenzburg angeboten, allerdings nur in der Abteilung 60plus im Zentralgefängnis – zur Förderung der kognitiven, intellektuellen und motorischen Fähigkeiten.

Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird deutlich, dass ein Leben in Freiheit für den Verwahrten in weiter Ferne liegt. Denn das jüngste psychiatrische Gutachten gab ihm eine schlechte Prognose. Es beurteilte seine Rückfallgefahr für schwere Gewalt- und Sexualdelikte als deutlich bis sehr hoch.