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Wahl des umstrittenen Staatsanwalts Simon Burger verschoben: So begründet der Regierungsrat seinen überraschenden Antrag

Eigentlich sollte der Grosse Rat am 6. September mehr als 100 Behördenvertreter wählen, darunter auch Simon Burger, den Leiter der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm. Doch der SVP-Mann, gegen den ein Disziplinarverfahren und eine Strafanzeige hängig ist, steht nicht auf der Liste für die Wahl in zwei Monaten.

«21.124 – Gesamterneuerungswahlen der durch den Grossen Rat zu wählenden Behörden des Kantons Aargau für die Amtsperiode 2023-2026; Bericht und Antrag des Büros des Grossen Rats an den Grossen Rat; Wahlvorschläge; Bericht mit Beilage**». Das ist die offizielle Bezeichnung eines Geschäfts, das im Grossen Rat am 6. September behandelt wird und eigentlich reine Routine ist.

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Das Kantonsparlament muss alle vier Jahre mehr als 100 Richterinnen und Staatsanwälte wählen, die Wahlvorschläge werden vom Büro des Grossen Rats vorgelegt, in dem alle Fraktionen vertreten sind. Umstritten sind diese Wahlen eher selten – im Jahr 2013 wurde ein amtierender Oberrichter abgewählt, aber zumeist erhalten alle Kandidierenden klare Mehrheiten.

Grossratspräsidentin: «Wir sind nicht glücklich über die Verschiebung»

Bei der Sitzung des Grossen Rats in knapp zwei Monaten würde auch die Wiederwahl von Simon Burger anstehen. Würde, denn der Name des SVP-Vertreters, der die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm leitet, ist bei den Wahlvorschlägen nicht aufgeführt. In einer Mitteilung des Grossratsbüros vom Freitagmorgen heisst es dazu:

«Die Wahl der Leitung der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm erfolgt auf Antrag des Regierungsrats zu einem späteren Zeitpunkt.»

Die Wahl von Burger werde voraussichtlich im November 2022 im Grossen Rat traktandiert, heisst es in der Mitteilung des Grossratsbüros weiter. Grossratspräsidentin Elisabeth Burgener sagt auf Anfrage der AZ, das Büro habe die Notwendigkeit des Antrags erkannt und diesem deshalb zugestimmt. «Wir sind nicht glücklich über die Verschiebung der Wahl, wir sind davon ausgegangen, dass alle Behördenmitglieder gemeinsam im September an einem Termin gewählt werden können», sagt Burgener.

Grossratspräsidentin Elisabeth Burgener
Grossratspräsidentin Elisabeth BurgenerAlex Spichale

Name von Burger stand auf Wahlliste – und wurde wieder entfernt

Zu den Gründen für die Verschiebung der Wahl könne sie sich nicht äussern, ergänzt die Grossratspräsidentin und verweist dafür auf den Regierungsrat. Burgener sagt weiter, der Name von Staatsanwalt Simon Burger sei zuerst auf der Liste der Kandidaturen gestanden, nach dem Antrag des Regierungsrats aber wieder entfernt worden.

Der Entscheid des Ratsbüros fiel laut der Präsidentin nach dem 11. Juni – damals hatte die AZ publik gemacht, dass ein Polizeioffizier eine Anzeige gegen Burger eingereicht hatte. Elisabeth Burgener betont, der Beschluss, die Wahl des Staatsanwalts zu verschieben, habe nichts mit dieser Anzeige und der Medienberichterstattung über den Fall zu tun.

Führungscoaching bei Burger brachte positive Ergebnisse

Regierungssprecher Peter Buri teilt auf Anfrage der AZ mit, der Regierungsrat habe Anfang Mai die Wahlanträge für die Strafverfolgungsbehörden für die Amtsdauer 2023-2026 zuhanden des Grossen Rates verabschiedet und sämtliche Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber zur Wiederwahl vorgeschlagen. Er bestätigt damit die Aussage der Grossratspräsidentin, dass Burger zuerst auf der Liste stand.

Der Regierungsrat stützte sich bei diesem ursprünglichen Antrag auf Wiederwahl für den Leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm laut Buri «auf die Fortschritte bei der Führungs- und Arbeitskultur, die mit einem umfassenden und über einen längeren Zeitraum dauernden Entwicklungs- und Unterstützungsprozess erzielt worden waren.» Die Regierung hatte bei Burger ein Führungscoaching und eine enge Begleitung durch die Oberstaatsanwaltschaft angeordnet, die offenbar positive Ergebnisse gebracht hatten.

Regierung beantragte Verschiebung nach Mitarbeiterbefragung bei Burger

Doch warum wurde die Wahl des Staatsanwalts nun verschoben? «Ab zweiter Hälfte Juni wurden die Detailergebnisse der im März dieses Jahres in der Kantonsverwaltung durchgeführten Mitarbeitendenbefragung bekannt», sagt Buri auf diese Frage. Und weiter:

«Aufgrund der Resultate bei der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm beschloss der Regierungsrat am 29. Juni, eine vertiefte, detaillierte Analyse durchzuführen beziehungsweise die Anfang Mai abgegebene Wahlempfehlung für den Leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm zu überprüfen.»

Es ist also davon auszugehen, dass die Mitarbeiterbefragung für Burger schlechte Resultate brachte. Regierungssprecher Buri sagt weiter: «Um gegenüber dem Wahlgremium Transparenz zu schaffen, informierte der Regierungsrat das Büro des Grossen Rates über diese Entwicklung und beantragte eine Verschiebung der für 6. September vorgesehenen Wahl des Leitenden Staatsanwalts der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm.»

Das Büro des Grossen Rates genehmigte diesen Antrag des Regierungsrats, wobei Grossratspräsidentin Elisabeth Burgener nicht sagt, ob der Entscheid einstimmig fiel, oder ob sich Büromitglieder dagegen aussprachen. Buri hält fest, es sei dem Regierungsrat ein Anliegen, dem Grossen Rat als Wahlgremium im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten alle Informationen zugänglich zu machen und damit die notwendige Klarheit für den Wahlentscheid zu schaffen.

Untersuchung eines ausserordentlichen Staatsanwalts entlastet Burger

Die letzte Gesamterneuerungswahl der Behörden fand am 28. August 2018 statt, diese war für Simon Burger eine reine Formsache, er wurde damals mit 123 Stimmen gewählt. Inzwischen hat sich seine Situation allerdings markant verändert: In einem Brief an den Justizdirektor und die Oberstaatsanwaltschaft beklagten sich Mitarbeitende über Burgers Führungsstil, der Regierungsrat leitete ein Disziplinarverfahren gegen den Staatsanwalt ein und ein ehemaliger Polizeioffizier zeigte ihn wegen angeblichen Amtsmissbrauchs an.

Allerdings ist fraglich, wie viel an den Vorwürfen des Polizisten gegen Burger dran ist: Der ausserordentliche Berner Staatsanwalt Marco Amstutz hat sie untersucht und eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen. Amstutz hielt fest: Burger habe einfach seine Arbeit gemacht, auch wenn dies bei der Kantonspolizei nicht immer auf Wohlwollen gestossen sei. Der Polizeioffizier will diesen Entscheid jedoch beim Obergericht anfechten.

Auch politisch gab es zuletzt eher Unterstützung für Burger und Kritik am zuständigen Innendepartement, das von SP-Regierungsrat Dieter Egli geführt wird. SVP-Fraktionschefin Désirée Stutz sprach von illegalen Ermittlungen der Polizei gegen den Staatsanwalt und brachte eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ins Spiel, SP-Co-Fraktionschefin Claudia Rohrer sah die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr.