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Kantonales First-Responder-System: Wenn jede Minute zählt

Mit dem Einsatz von First Respondern soll bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand die kritische Frist bis zum Eintreffen der professionellen Rettungskräfte überbrückt werden. Reto Graber und Urs Lehmann erklären, wie das neue kantonale System funktioniert.

Rund 1800 Notrufe mit den Stichworten «leblos» oder «bewusstlos» gehen jährlich bei der Notrufzentrale im Kanton Aargau ein. Um die Überlebenschancen einer Person nach einem Herz-­Kreislauf-Stillstand zu erhöhen, ist qualifizierte Hilfe innert weniger Minuten unerlässlich. Es sind deshalb wertvolle Minuten, die bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts verloren gehen können. Hier sollen ab 1. Februar – so will es das Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau – sogenannte First Responder zum Einsatz kommen. Diese freiwilligen Ersthelferinnen und Ersthelfer werden im Fall eines Herz-­Kreislauf-Stillstands von der Sanitätsnotrufzentrale 144 gleichzeitig mit den regulären Rettungskräften alarmiert und aufgeboten. Mit qualifizierten basismedizinischen Erstmassnahmen wie zum Beispiel dem Einsatz eines Defibrillators überbrücken sie in Zukunft das Intervall bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts.

Das neue System will der Aargau flächendeckend auf den 1. Februar einführen. Interessierte qualifizierte Ersthelferinnen und Ersthelfer können sich ab sofort unter www.ag.ch/first­responder registrieren und müssen die obligatorische 90-minütige First-Responder-Einführung besuchen.

Gute Erfahrungen mit der Feuerwehr

Was bedeutet das für die Stadt Zofingen, welche mit der First-Responder-Gruppe der Feuerwehr bereits seit vielen Jahren über eine solche Schnelleingreiftruppe verfügt? Die Frage richtet sich an Reto Graber, Leiter Feuerwehr und Bevölkerungsschutz der Stadt Zofingen, und dessen Stellvertreter Urs Lehmann. «Die Feuerwehr hat sich den Auftrag für den Aufbau einer First-Responder-Gruppe 2008 selbst gegeben – das System hat funktioniert, wir konnten helfen und auch Leben retten», sagt Graber. Es habe aber gegenüber dem neuen kantonalen System auch Nachteile gehabt. Der grösste Nachteil: Die First-Responder-Gruppe musste sich strikte an die Ortsgrenzen halten. «Wir haben seit vielen Jahren gesagt, dass wir unsere Gruppe bei der Einführung eines flächendeckenden Systems auflösen werden», führt der Zofinger Feuerwehr-Kommandant weiter aus. Es bleibe den einzelnen, aktuell zwölf Mitgliedern der Gruppe überlassen, ob sie im neuen System weiterhin als First Responder tätig sein möchten.

Feuerwehr-Kommandant Reto Graber zeigt, wo sich auf dem Stadtgebiet gemäss defikarte.ch ein öffentlich zugänglicher Defibrillator befindet. 
Bild: Urs Lehmann

Das neue System, welches vom Kanton betrieben wird, bringe viele Vorteile mit sich, sind sich sowohl Graber als auch Lehmann sicher. «Da das System auf einer App basiert, erlaubt es den Zugriff auf wesentlich mehr Leute als bisher», führt Zivilschutz-Kommandant Lehmann aus. Nicht nur das. Über die Standortlokalisierung werden auch jene First Responder aufgeboten, die sich gerade in unmittelbarer Nähe des Notfalls befinden.

«Im Ernstfall sind First Responder schneller vor Ort als der Rettungsdienst», zeigt sich Graber denn auch überzeugt. Mit ihrer speziellen Ausbildung in Wiederbelebung (Basic Life Support – BLS) und in der Anwendung von Automatischen Externen Defibrillatoren (AED) können First Responder – auch wenn sie Laien sind – erste medizinische Massnahmen einleiten und als wichtiger Teil der Rettungskette wertvolle Zeit überbrücken, bis die Rettungskräfte eintreffen. «Am Schluss ist es ganz einfach: Im Ernstfall zählt jede Minute», betont Graber – und diesbezüglich habe die neue Lösung grosse Vorteile.

Stadt ist neu für die ­Infrastruktur zuständig

Auf den 1. Februar ändern sich damit aber auch die Zuständigkeiten. Erbrachte bisher die Stadt Zofingen über die Feuerwehr den First-Responder-­Dienst und war auch für die Aus- und Weiterbildung der Gruppe verantwortlich, so werden die Verantwortlichkeiten nun neu geregelt. Der Kanton stellt das gesamte System flächendeckend zur Verfügung und ist über die Notrufzentrale 144 auch zuständig für die Alarmierung. Die Stadt Zofingen stellt öffentlich zugängliche Defibrillatoren bereit. Für die Ausbildung sind First Responder selbst zuständig – angeboten werden die entsprechenden Kurse von Samaritervereinen oder privaten Dritten.

Schon im vergangenen Jahr hat die Stadt Zofingen fünf AED an gut zugänglichen Orten platziert: Feuerwehrmagazin, Markthalle, Stadtsaal, Bushaltestelle «Milchhüsli» im Mühle­thal und Bahnhof Zofingen (im Eingangsbereich Repol) und diese in der defikarte.ch verzeichnet. Parallel dazu hat der Bereich Feuerwehr und Bevölkerungsschutz auch Gewerbe und Industrie gebeten, Defibrillatoren zu beschaffen, diese auf defikarte.ch zu registrieren und wenn möglich öffentlich zugänglich zu machen. Per 1. Februar sollen drei weitere Defibrillatoren im Raum Gemeindeschulhaus, BZZ und StWZ einsatzbereit sein, wie Lehmann, in dessen Verantwortung das Bereitstellen der neuen Geräte liegt, verrät. Weitere drei AED-Standorte sind in Planung und sollen baldmöglichst realisiert werden. «Wir sind der Meinung, dass wir mit unseren öffentlich installierten Defibrillatoren eine sehr gute Abdeckung im Stadtgebiet haben», sagen sowohl Graber als auch Lehmann.

«Ich bin sicher, dass das neue System gut funktionieren wird, weil es sich auf mehr Leute wird abstützen können», sagt Graber. Die Tatsache, dass es auf Freiwilligkeit beruhe, sei dabei unwichtig, glaubt der Feuerwehr-Kommandant. «Das zeigen die zum Teil jahrelangen, guten Erfahrungen, welche andere Kantone gemacht haben», sagt er. First-Responder-Pionier in der Schweiz war der Kanton Tessin, welcher das System bereits 2005 umsetzte. Alle umliegenden Kantone setzen ebenfalls bereits erfolgreich First Responder ein.