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Nationalrätin Irène Kälin: «Ich wollte nie Präsidentin der Grünen Aargau werden»

Per Akklamation hat die Mitgliederversammlung der Grünen am Dienstagabend die ehemalige Nationalratspräsidentin an die Spitze der Kantonalpartei gewählt. Daniel Hölzle gab die Parteileitung ab.

Die Grünen Aargau sollten künftig auch wieder kontroverse Debatten organisieren, sagte die frisch gewählte Kantonalparteipräsidentin Irène Kälin beim Apéro nach der Mitgliederversammlung am Dienstagabend in Aarau. Der Parteianlass in Bahnhofsnähe stand unter dem Motto «Abschied und Neuanfang».

Grüne-Präsident Daniel Hölzle leitet seine letzte Mitgliederversammlung.
Bild: Fabio Baranzini

Noch-Präsident Daniel Hölzle hatte letztes Jahr angekündigt, die Kantonalparteileitung nach neun Jahren abzugeben. In dieser Zeit sei viel passiert auch privat, lautete die Bilanz des Schulleiters. Er erwähnte seine Familie mit den zwei Kindern, und wie er sich auf etwas mehr freie Zeit freue. Das Präsidium der Grünen Zofingen hatte Grossrat Hölzle bereits an Michael Bohli übergeben, der ebenfalls anwesend war.

Grösster Wahlerfolg unter Daniel Hölzle

Daniel Hölzle kennt Irène Kälin, seit sie bei den Grünen ist. Als sie 2010 im Kanton Aargau Grossrätin wurde, habe niemand geahnt, dass sie auch mal Nationalratspräsidentin werde. «Du bist super vernetzt innerhalb und ausserhalb der Partei», hielt der Präsident gegenüber seiner Nachfolgerin fest. «Wir haben mehrmals dazu aufgerufen, sich für die Parteileitung zur Verfügung zu stellen.»

Die 38-Jährige Nationalrätin räumte ein, dass sie das neue Amt nicht suchte: «Ich wollte nie Präsidentin der Grünen Aargau werden.» Doch seit 18 Jahren mache sie für diese Politik und seit 15 Jahren hat sie ein politisches Amt inne, hielt Kälin fest. Jetzt sei es an der Zeit, der Partei, die eine neue Präsidentin brauche, etwas zurückzugeben. Sie habe inzwischen genug Demut und sich zum Glück geändert, fügte sie an. Der gemeinsame Nenner sei ihr immer wichtiger als persönliches Geplänkel. Die Weltlage sei im Umbruch. «Wenn es Politiker wie Trump und Glarner gibt, braucht es die Grünen umso mehr für unsere Erde», so Kälin, die per Akklamation von den Anwesenden an die Parteispitze gewählt wurde. Die Jungen Grünen freuen sich auf die Zusammenarbeit mit ihr, wie sie in einer Medienmitteilung schrieben.

Die Frischgewählte verabschiedete Hölzle und lobte ihn, wie er die Grünen Aargau zum grössten Wahlerfolg der Geschichte geführt hat. Zudem habe er nie um den heissen Brei herumgeredet und als Parteichef sogar ihren Sohn beeindruckt.

Parolenfassung für Abstimmungen am 18. Mai

Neben der neuen Präsidentin wählte die Mitgliederversammlung Marco Genoni, früherer Gemeindepräsident von Suhr, neu in den Parteivorstand. Ausserdem fassten die Anwesenden die Parolen für die beiden kantonalen Abstimmungsvorlagen vom 18. Mai.

Fraktionspräsidentin Mirjam Kosch erklärte die Steuergesetzrevision. Die Vorlage beinhaltet eine Senkung der Vermögenssteuer und einen höheren Kinder- und Drittbetreuungsabzug.

Miriam Kosch ist Fraktionspräsidentin.
Bild: Fabio Baranzini

Die Vorlage sei eine grosse Entlastung für die Reichen, wie Kosch mit Zahlen belegte. Der Mittelstand hingegen gehe leer aus. Anstatt die Steuern zu senken, sollte man den grossen Investitionsstau beheben und die Mittel beispielsweise für familienexterne Kinderbetreuung verwenden. Die Anwesenden lehnten die Steuervorlage ab. Aus dem Pro-Lager war niemand eingeladen worden.

Mit einer Enthaltung hiessen die anwesenden Grünen die Lohngleichheitsinitiative gut. Grossrat Andreas Fischer Bargetzi zeigte den Handlungsbedarf auf, weil Frauen trotz Gleichstellungsgesetz 16,2 Prozent weniger verdienten. Rund die Hälfte dieses Unterschieds gelte als Lohndiskriminierung.

Andreas Fischer Bargetzi stellt die Lohngleichheitsinitiative vor.
Bild: Fabio Baranzini

Vorgesehen sind Lohnanalysen für Betriebe ab 50 Mitarbeitenden sowie die Wiedereinführung des weggesparten Gleichstellungsbüros als niederschwellige Anlaufstelle. Die Initiative verursache nicht viel administrativen Aufwand. «Ein guter HR-Profi braucht einen Tag für die Lohnanalyse», sagte Fischer Bargetzi. Im Kanton Jura sei diese Vorlage bereits eingeführt worden, antwortete er auf die Frage eines Mitglieds. Gegenargumente kamen auch hier nicht zur Sprache.

Werbung für Kommunalwahlen

Dieses Jahr finden in den Aargauer Gemeinden Gesamterneuerungswahlen statt. Präsident Michael Bohli von den Grünen Zofingen sprach über die Herausforderung, dass viele Amtsträger überlastet seien und es an neuen Leuten fehle. Er betonte, wie wichtig der Austausch für Informationen und Ideen unter Orts- und Bezirksparteien sei. Nach den Wahlen vor vier Jahren hätten die Grünen viel Schwung verloren. Jetzt baue man diesen wieder auf.

Thomas Baumann, Grossrat und Gemeinderat von Suhr, sein früherer Amtskollege Marco Genoni sowie Gemeinderat Christian Keller von Obersiggenthal diskutierten über die Mitgestaltungsmöglichkeiten in der eigenen Wohngemeinde. Als Gemeinderat müsse man keine Angst haben, man wisse zu wenig, so Baumann. «Es ist Learning by doing,»

Thomas Baumann (v. r.) diskutiert mit Christian Keller und Marco Genoni über das Amt als Gemeinderat.
Fabio Baranzini

Zum Abschluss würdigte Daniel Hölzle denkürzlich völlig überraschend verstorbenen früheren Fraktionspräsidenten Robert Obrist. Der Schinznacher hatte sich im Grossen Rat einen Namen gemacht als umsichtigen Finanzpolitiker. Er unterstützte die Grünen, wo er nur konnte – auch als Regierungsratskandidat. Obrists letzte Lektüre sei das Buch «Hoffnung: Über ein kluges Verhältnis zur Welt» von Philipp Blom gewesen, so Hölzle. Er appellierte an die Grünen: «Wir müssen uns nicht um die Hoffnung kümmern, sondern den Mut haben, unsere Positionen zu verteidigen.»