Das neue Mitarbeiter-Parkhaus ist noch immer blockiert – jetzt setzt das KSA zum Befreiungsschlag an
Applaus und warme Worte reichen nicht. Das Personal im Gesundheitswesen braucht auch gute Arbeitsbedingungen. Darüber herrscht vermeintlich Konsens, erst recht nach zwei Jahren Ausnahmezustand wegen Corona. Doch wie diese Bedingungen aussehen sollen – etwa punkto Löhne –, darüber gehen die Meinungen auseinander. Und auch, wenn es um Infrastrukturprojekte geht, folgen den guten Worten nicht immer grosszügige Taten.
Das muss das Personal am Kantonsspital Aarau erfahren. Seit Jahren herrscht hier Parkplatznot für die Angestellten, die rund um die Uhr im Schichtbetrieb und damit zu Zeiten arbeiten, in denen öffentliche Verkehrsmittel nicht oder nicht in guter Taktfrequenz fahren – schliesslich leben nicht alle in der Aarauer Agglo.
Aktuell teilen sich 4500 Angestellte die 400 verfügbaren KSA-Parkplätze (dass sie auf den 475 wesentlich teureren Besucherparkplätzen parkieren, die nicht dem Spital gehören, ist illusorisch). Aktuell stehen rund 700 Personen auf einer Warteliste für einen Parkplatz. Wer näher als 5 Kilometer am Spital wohnt, erhält schon gar keinen. Mitarbeitende, die leer ausgehen, suchen sich Lösungen im Quartier – das wiederum führt zu Suchverkehr und nimmt Anwohnenden Parkplätze weg. Das Kantonsspital will deshalb dringend ein Personalparkhaus bauen:
Es soll 12 Millionen kosten, netto 465 zusätzliche Parkplätze bringen (total 790) und zwischen der Tellstrasse und der Südallee zu stehen kommen – neben dem Besucherparkhaus und auf dem heutigen Mitarbeiterparkplatz.
Worum geht es bei den Einsprachen?
Gegen das Baugesuch, das im Frühsommer 2020 auflag, hagelte es allerdings Einsprachen – mehrere Dutzend. Darunter viele aus dem angrenzenden Gönhard-Quartier, das mit einer gewissen Dichte an Bewohnenden ausgestattet ist, die sich juristisch zu helfen wissen. Sie fürchten massiven Mehrverkehr.
Aber auch Verbände haben grosse Vorbehalte. «Ein Parkhaus dieser Grössenordnung gehört nicht ins Stadtzentrum», so etwa die Aargauer Sektion des Verkehrs-Clubs Schweiz (VCS). «Das KSA braucht für den Tagbetrieb aus Sicht des VCS keine zusätzlichen Parkplätze, da Besucher wie Mitarbeitende grossmehrheitlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen können, und für die Nachtschicht könnten Teile der grosszügig dimensionierten Besucherparkierung für die Mitarbeitenden freigegeben werden.»
Auch der Verein Aarau Mobil hatte eine Einwendung gemacht. Der Grundtenor ist bei diesen Organisationen etwa derselbe: Man will in der Stadt eigentlich den motorisierten Individualverkehr plafonieren; und da müssen alle mitmachen.
Im Gegensatz setzte sich aber unter anderem die FDP Aarau für das neue Parkhaus ein – und einige Quartierbewohnende, darunter die heutige SP-Stadträtin Silvia Dell’Aquila. Ausserdem lancierte ein KSA-Mitarbeiter eine Petition, die von 9285 Personen unterzeichnet wurde und den Titel trug: «Corona-Heldinnen in Aarau brauchen mehr als Applaus – sie brauchen ein Parkhaus!»
Kantonsspital-CEO brachte der Stadt einen Stapel neue Unterlagen
Während die wenigen Einsprachen gegen den Neubau des Hauptgebäudes (Projekt «Dreiklang») 2021 relativ speditiv erledigt werden konnten und dieses Gebäude nun schon im Bau ist, hat sich beim Parkhaus kaum etwas getan. Mehr als anderthalb Jahre nach der Baugesuchsauflage sind die meisten Einsprachen noch beim Stadtrat hängig. Was das Kantonsspital braucht, ist ein Befreiungsschlag. Und dazu setzt die Spitalleitung nun an.
Der Interims-CEO und Leiter Betrieb, Sergio Baumann, reichte gestern bei der Stadt einen dicken Stapel Unterlagen ein: Stellungnahmen zu den Einsprachen, aber auch eine Projektänderung, die den Anschluss des Spitals an die Tellstrasse betrifft. Diese war Teil des Deals, welchen das Spital mit dem letzten verbliebenen Einsprecher gegen den Spitalneubau getroffen hatte. Das KSA hat Unterstützung durch den renommierten Badener Baurechtsanwalt Peter Heer, der zuletzt mit einer Serie an Siegen gegen die Stadtzürcher Baubehörden in den Medien war.
«Das Kantonsspital war das erste Gebäude im Quartier»
Gleichzeitig wendet sich Baumann, der selber im betroffenen Quartier wohnt, in einem Brief an die Einsprecher. Darin schreibt er unter anderem: «Die zahlreichen Einwendungen haben uns gezeigt, dass es uns nicht gelungen ist, den betroffenen Quartierbewohnern die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten aufzuzeigen.» Mit dem Schreiben erhalten diese nun umfangreiche Informationen. Unter anderem ein neues Verkehrsgutachten, einen neuen Umweltverträglichkeitsbericht und ein überarbeitetes Mobilitätskonzept.
Etwas schärfer ist der Ton in der Stellungnahme zu den Einwendungen. Darin macht der Anwalt deutlich: «Das Kantonsspital war das erste Gebäude im Quartier. Es hat wie alle anderen Anspruch darauf, die öffentlichen Strassen im Gönhardquartier zu nutzen.»
Was politisch motivierte Einsprachen angeht, kann das KSA nur beschränkt direkt Einfluss nehmen. Baumann und sein Team können nur die Bemühungen aufzeigen, die das Spital zur Senkung des motorisierten Verkehrs getroffen hat: unter anderem mehr Veloparkplätze, bessere Fusswegerschliessung vom Bahnhof, die (noch unerhörte) Forderung einer besseren Bus-Anbindung.
Ganz konkret planen lässt sich hingegen die Verkehrsbelastung für das Quartier. Diese steige durch das neue Parkhaus unter dem Strich nicht, betont das KSA. Lediglich die Achse westliche Tellstrasse–Weltistrasse werde «etwas stärker belastet». Denn das KSA soll künftig aus allen vier Himmelsrichtungen angefahren werden können: von Norden neu über die Buchserstrasse in die Nordallee (Ambulanz, interner Verkehr), von Osten und von Süden über die Tramstrasse in die Südallee und die Tellstrasse, von Westen durch das Gönhardquartier.
Damit das möglich wird, stellt das KSA zwei Forderungen. Erstens: Künftig soll man aus dem Besucher- und dem geplanten Mitarbeiterparkhaus heraus auch nach links ins Quartier abbiegen dürfen, nicht nur nach rechts zur Tramstrasse. Zweitens: Die neue Hauptzufahrt zum Spital, welche sich 30 Meter neben der Tramstrasse befindet, soll der 2019 eingeführten Teilfahrverbotszone Gönhard zugeschlagen werden. Wird sie das nicht, ist es illegal, von Entfelden her durchs Quartier und dann in diese Hauptzufahrt zu fahren – es würde als verbotene Quartierdurchfahrt, nicht als erlaubte Zubringerfahrt gelten. Man müsste von der Entfelderstrasse via Hintere Bahnhofstrasse und Buchserstrasse ausweichen, was zu Stosszeiten sehr viel länger dauert als direkt durchs Quartier.
KSA: Negative Effekte würden durch die postiven aufgehoben
Diese zwei Massnahmen bedeuten für das Gönhardquartier zwar Mehrverkehr. Entlastet wird es aber laut Gutachten dadurch, dass der verkehrsintensive «Notfall» nicht mehr über kleine Quartierstrassen erschlossen wird. Und durch die Verschiebung der gesamten Areallogistik an die Tramstrasse (eine Kantonsstrasse) entfällt der Schwerverkehr im Quartier. Die negativen Effekte würden durch die positiven «bei weitem aufgehoben», so das KSA. Und: «Die Gutachten belegen, dass die vorhandenen öffentlichen Strassen den Verkehr aufnehmen können und dass die Lärmschutzvorschriften eingehalten werden.» Zudem, so argumentiert das Spital, würden dank der Quartierzufahrt auch die chronisch überlasteten Kantonsstrassen (Hintere Bahnhofstrasse, Buchserstrasse im Speziellen) vom Spital-Verkehr entlastet.