Gemeinsamer Aktionsplan: So wollen Deutschland und die Schweiz illegale Migration bekämpfen
Europa steht vor einem historischen Fluchtwinter. Das hat vor allem mit der Situation in der Ukraine zu tun, doch auch aus anderen Weltregionen kommen wieder mehr Migranten. Am Dienstag haben sich die Schweiz und Deutschland auf einen Aktionsplan gegen irreguläre Migration verständigt. Das Ziel sei es, dass Personen ohne Schutzbedarf schnell zurückgeführt werden könnten, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter, nachdem sie und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser das Dokument in Berlin unterzeichnet hatten.
«Jedes Land muss seine Hausaufgaben machen», sagte die Schweizer Justizministerin. «Alleine kann die irreguläre Migration nicht wirksam bekämpft werden, es braucht internationale Koordination und Absprache unter Nachbarn.» Faeser erklärte, durch das Abkommen «schwerwiegende Massnahmen wie die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen» vermeiden zu wollen.
Deutsche Vorwürfe an die Schweiz
Die Zahlen, die Keller-Sutter nannte, illustrierten das Ausmass der Probleme: Allein im Oktober seien in der Schweiz 7900 illegale Aufenthalte registriert worden; die Zahl der Asylgesuche sei gegenüber dem Vorjahresmonat um 55 Prozent gestiegen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass wieder mehr Menschen über das Mittelmeer und die Balkanroute kämen. Die meisten von ihnen seien nicht schutzbedürftig.
Einen ersten Aktionsplan hatten Berlin und Bern 2015 vereinbart, auf dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingskrise. Dieser lief 2016 aus. Der neue, nun beschlossene Plan sieht unter anderem gemeinsame Kontrollen durch deutsche und Schweizer Beamte in Zügen vor, die aus der Schweiz nach Deutschland fahren. Zudem will man bei der Registrierung zusammenarbeiten, sich um effektivere Rückführungsverfahren bemühen und Schleuser wirksamer bekämpfen.
In Deutschland hatten Ende November Berichte für Unmut gesorgt, die Schweiz winke Migranten durch: Diese würden von der österreichisch-schweizerischen Grenze in eigens bereitgestellten Zugabteilen nach Basel gebracht, von wo sie dann nach Deutschland oder Frankreich weiterreisten. Das wäre ein Verstoss gegen das Dublin-Abkommen, das vorsieht, dass ein Asylverfahren von dem Land durchgeführt werden muss, in dem ein Migrant ankommt.
Die Schweiz ist für Migranten weniger attraktiv
Auf diese Vorwürfe gingen die beiden Ministerinnen am Dienstag nicht ein; Faeser liess allerdings durchblicken, warum ein Abkommen mit der Schweiz aus deutscher Sicht so wichtig ist: In den den letzten Monaten seien an manchen Tagen bis zu 1000 Migranten am Tag aus der Schweiz nach Deutschland gekommen.
Woran dies liegen könnte, erklärte Keller-Sutter: Die Schweiz sei für Personen ohne Schutzbedürfnis nicht attraktiv, da ein negativer Entscheid dort in der Regel rasch erfolge. Viele wollten auch dorthin weiterreisen, wo bereits Landsleute von ihnen lebten, etwa nach Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien. Die Bundesrepublik habe eine deutlich niedrigere Rückführungsquote als die Schweiz, räumte Faeser ein. So blieben in Deutschland deutlich mehr Migranten ohne Schutzbedürfnis.