Ein Kämpfer gegen den Zeitgeist: Bischof Vitus Huonder ist gestorben
Mit einem sogenannten Wahlspruch pflegen katholische Würdenträger ihre Amtszeit unter eine Maxime zu stellen. Als Vitus Huonder am 8. September 2007 im Kloster Einsiedeln zum Bischof geweiht wurde, entschloss er sich zum Spruch: «Instaurare omnia in Christo», alles in Christus erneuern. Es war schon der Leitspruch von Pius X., der sich stets um eine innerkirchliche Reform bemüht hatte, um sie gegen die Einflüsse des gesellschaftlichen Wandels zu schützen.
Auch Huonder scheute sich nicht davor, für die konservativen Kräfte innerhalb der katholischen Kirche einzutreten – und sich dafür in den politischen Dialog einzuschalten. Für Aufregung sorgte er etwa 2014, als er Homosexuelle, im Konkubinat Lebende oder Menschen, die auf künstliche Befruchtung zurückgreifen, von der Kommunion ausschliessen wollte.
Sterbehilfe, Sexualkundeunterricht, Schwangerschaftsabbrüche und Gender-Debatten: Seine Überzeugungen in diesen sehr heiklen Themen schöpfte Huonder aus einer katholischen Tradition vor dem zweiten vatikanischen Konzil. In vielen Formen der Moderne sah Huonder einen Angriff auf das traditionelle Familienmodell – und dagegen trat er an, wider Proteste und unbeirrt vom geltenden Zeitgeist. Es gehe ihm um die «Verteidigung des christlichen Menschenbildes», sagte Huonder einmal in einem Interview.
Ein kurzer Moment des Zweifels
Auch wenn Huonder seinen Weg stets sicher zu gehen schien: Zumindest einmal in seiner Vita ist ein kurzes Zögern auszumachen. Im Alter von 23 Jahren hatte er sein Studium der Theologie am Päpstlichen Athenaeum Sant’Anselmo in Rom begonnen, als ihn plötzlich Zweifel beschlichen und er aus dem Kloster austrat. Ein Jahr lang verbrachte er in der Jugendarbeit in Zürich, dann nahm er sein Studium in Freiburg im Üechtland wieder auf.
Mit 29 empfing er die Priesterweihe, zwei Jahre später wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Später wurde er vom damaligen Bischof Wolfgang Haas zum Domkanoniker sowie zum Generalvikar für Graubünden, Glarus und das Fürstentum Liechtenstein berufen. Mit Haas verbanden Huonder zahlreiche politische Ansichten.
Kirchenintern sorgte die pointierte Weltsicht Huonders durchaus für Reibung. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil zum Bistum Chur auch das progressiver eingestellte Zürich gehörte. Gekümmert hat dies Huonder nicht: «Die Kirche kann nicht auf mehrheitsfähige Positionen schielen. Sie muss die Wahrheit des Glaubens verkünden – ob das nun gerade gelegen oder ungelegen kommt», sagte er einmal. Und auch wenn es immer wieder Kritik gab: Zu einer Häufung von Kirchenaustritten unter Huonders Regentschaft kam es nicht.
Huonder gelang es damals wohl besser als vielen anderen, die katholische Kirche in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Am Mittwoch ist Vitus Huonder nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 81 Jahren verstorben.