Über 70 Flipperkästen stehen in dieser Aargauer Halle – «Silverball»-Club-Gründer: «Meine Unvernunft siegte»
Welche Worte wählt man, um die Vorgänge in einem Flipperkasten zu beschreiben? «Das ‹Tschack› der Zugfeder, mit der die silberne Kugel ins Spiel geschossen wird. Bimmeln, Klacken, Rattern, Klingeln.» So umschrieb einst die «Süddeutsche Zeitung» die chaotische Geräuschkulisse. Und so ähnlich rumpelt es auch im Gehirn, wenn man die Räumlichkeiten des Flipperclubs Silverball an der Würenloserstrasse in Killwangen betritt. Verzückung und Reizüberflutung allenthalben.
In der Halle, in der man gut und gerne auch Ballweitwurf trainieren könnte, sind über 70 Flipperautomaten aufgereiht – hergestellt ab den 1950er-Jahren bis heute. In einer Woche, am 10. September, treten hier 60 Flipperkünstler gegeneinander an und spielen um Weltranglisten-Punkte. IFPA, International Flipper Pinball Association, nennt sich der Weltverband. Es ist das erste grosse Turnier im Klub, der im Oktober 2021 seine Türen geöffnet hat.
Fasziniert von Technik und Design
Das «Silverball» ist das Reich von Vereinspräsident Dani Köchli. Der 55-Jährige aus Würenlos hat gleich nebenan seinen Arbeitsplatz. Er ist Werkstattchef eines Herstellers und Betreibers von Geschicklichkeitsgeldspielautomaten. Er legt Wert auf diese Bezeichnung, denn Flipperkasten fallen nicht in diese Kategorie. Sie sind Unterhaltungsautomaten. Und ihnen gilt seine Leidenschaft.
«Ich bin kein guter Spieler», sagt Köchli, «ich bin zu ungeduldig und ungeschickt.» Aber er liebt die Technik, die Mechanik und Elektronik, das Design. Sein Glück: Die Geräte brauchen viel Pflege. Jeden Mittwoch treffen sich Klubmitglieder zum Reparaturabend.
Das «Silverball» liegt in den ehemaligen Hallen der Nordfisch AG. Der Traditionsbetrieb, der früher jährlich tonnenweise Fisch räucherte, ging Anfang 2020 Konkurs. Köchli mietete die Räumlichkeiten. «Meine Unvernunft siegte», sagt er mit einem Lachen. Bis vor 12 Jahren leitete er den Flipperclub Hurricane in Wallisellen, hörte dann aber auf, weil ihm der Aufwand zu gross wurde.
Nun leitet er den grössten Klub der Schweiz, ja wohl einen der grössten der Welt. Köchli jedenfalls kennt nur einen Flipperklub, der grösser ist, und der liegt in der Spielermetropole Las Vegas.
Flippern erlebt eine Renaissance. Die Branche erlitt einen Absturz, als Ende der 90er-Jahre der letzte Hersteller Williams seine Produktion einstellte. Nur noch Sammler, Museen und Historiker interessierten sich für die Stücke. Das Verschwinden des Flipperautomaten war Sinnbild eines Unterhaltungswandels. Videospiele, Nintendo und Playstation drängten auf den Markt.
Das Haptische verlor an Bedeutung. «Aber heute», sagt Köchli, «gibt es immer mehr Hersteller.» Vor allem solvente Private zählen zu den Kunden. Es herrscht eine regelrechte Retromanie wie bei den Schallplatten.
Automaten werden für 15’000 Franken gehandelt
Die teuersten Automaten werden, wenn der Zustand gut ist, für 15000 Franken gehandelt. So etwa der «Medieval Madness», den es im «Silverball» gleich in doppelter Ausführung gibt. 1997 wurden 4016 Stück davon hergestellt. Köchli hat museumsmässig jeden Automaten mit einem Schild versehen, auf dem Angaben wie Produktionsjahr, Stückzahl, Hersteller oder Designer ersichtlich sind.
«Earthshaker», «Addams Family» oder «Terminator 2» heissen die Flipper. Mit ihrem Versicherungswert könnte man im Badener «Belvédère» eine Immobilie kaufen.
So retro das Hobby der Flippergemeinde, so retro und liebevoll ist auch das «Silverball» eingerichtet. Im Eingangsbereich eine Bar im American-Diner-Stil der 50er-Jahre, viel Chrom und eine Menge Nostalgie in Form alter Neonanzeigen und Kaugummiautomaten, Coca-Cola-Schilder, eine Jukebox – alles, was das Retro-Herz begehrt.
Gespielt wird im «Silverball» nicht mit Geld, sondern mit eigens hergestellten Jetons, auf denen der Klubname und die Jahreszahl eingraviert sind. Und für die Raucher gibt es in der ehemaligen Lachs-Räucherkammer das vielleicht schönste Fumoir der Schweiz.
Der Triumphzug des «Geschicklichkeitsspiels ohne Gewinnmöglichkeit» startete in den USA in den 1930er-Jahren und in Europa in den 1940er-Jahren. Viele Jahrzehnte waren die «pinball machines», wie sie in den USA genannt werden, Symbole für Coolness, Männlichkeit, sogar ein wenig für Rebellion.
Sorgenvoller Blick auf die Stromkosten
Dani Köchlis Klub zählt rund 80 Mitglieder. Zwei- bis dreimal pro Monat trifft man sich zum Spielen. Der Stromverbrauch an einem Abend summiert sich auf 60 bis 70 Franken. Anfang Jahr habe er das ausgerechnet, sagt Köchli. Er verdreht die Augen, wenn er an die explodierenden Strompreise denkt. 200 Mitglieder bräuchte der Club, um die Miete zu decken. «Ich zahle drauf», sagt Köchli.
Mit dem Weltranglisten-Turnier hat er sich ebenfalls viel Arbeit aufgehalst. Doch der Anklang ist gross. Auch Spieler aus dem nahen Ausland haben sich angemeldet, 15 Namen zählt die Warteliste. Turnierleiter ist Klubmitglied Röbi Sutter.
Er ist die Nummer 25 der Weltrangliste und die Nummer 8, wenn man die Amerikaner nicht mitzählt. In Las Vegas wurde er Seniorenweltmeister. Köchli erzählt wahre Wunderdinge über seine Flipperkünste. Sutter hat auch die rund 20 Automaten ausgewählt, an denen am Turnier gespielt wird.
Dani Köchli nimmt am Wettstreit nicht teil. Er wird sich wie immer um alles andere kümmern. «Mal schauen, wies rauskommt», sagt er. «Gut möglich, dass wir in Zukunft jährlich ein Turnier organisieren.» Die Flipperszene ist zurück, es rumpelt wieder.