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Kirchenmanager Christoph Weber-Berg im zt Talk: «Wir müssen näher zusammenrücken – anders geht es gar nicht»

Der Kirchenratspräsident der Reformierten Landeskirche Aargau ermuntert die Kirchgemeinden zu Fusionen – bevor der Druck so hoch ist wie in Murgenthal.

Schon lange kämpfen die Landeskirchen in der Schweiz gegen einen Mitgliederschwund. In den letzten Jahren hat sich die Austrittsdynamik aber noch beschleunigt. Die Kirchgemeinde Murgenthal hat deshalb ihre Pfarrerin ermutigt, eine neue Stelle zu suchen, weil die Gemeinde eine Vollzeitstelle nicht mehr bezahlen kann (wir berichteten).

«Das ist in der Tat ungewöhnlich», sagt Christoph Weber-Berg, der Präsident des Kirchenrates der Reformierten Kirche Aargau. «In Murgenthal hat sich die Situation in den letzten beiden Jahren verschärft. Sie mussten analysieren, wie es weitergeht. Die Landeskirche hat die Kirchgemeinde und die Pfarrerin im Gespräch unterstützt. Gemeinsam zog man die Option in Betracht, dass sie eine neue Stelle sucht – dadurch kann die Kirchgemeinde die Stelle mit einem tieferen Pensum ausschreiben.» Kündigen kann eine Kirchgemeinde einer gewählten Pfarrperson nicht.

Begegnen will die Landeskirche den Kirchenaustritten und damit sinkenden Steuereinnahmen mit dem Reformprogramm «Vision 2030». Welches sind die wichtigsten Massnahmen? «Das kirchliche Leben an der Basis soll möglichst vielfältig sein – dazu braucht es Freiheit zur Gestaltung. «Wir würden es begrüssen, wenn die Kirchgemeinden sich zur Organisation des kirchlichen Lebens regional zusammenschliessen.» Das würde die Menschen an der Basis entlasten, zum Beispiel in der Behördenarbeit. «Gleichzeitig wollen wir die Verwaltung und Administration zentralisieren – also die Kirchgemeinden vom administrativen Kram entlasten. Damit sich die Leute vor Ort weniger mit Formularen und Versicherungen herumschlagen müssen – und sich überlegen können, wie sie ihre Kirche gestalten.»

Was hält der Kirchenratspräsident vom radikalen Vorschlag, alle Kirchgemeinden im Kanton zu einer einzigen zu fusionieren? Kirchgemeinden seien typisch schweizerisch, sagt Weber-Berg. «Sie geniessen viel Autonomie und organisieren sich selber.» Mit dem öffentlich-rechtlichen Status einer Kirchgemeinde sei aber ein enormer Aufwand verbunden. «Gerade für kleinere Gemeinden ist das eine Belastung.» Hinzu kommen rückläufige Finanzen. «Die Kirchgemeinde-Autonomie ist unter Druck.» Deshalb sage er den Gemeinden: «Wenn euch diese Gemeinde-Autonomie lieb ist, dann fangt noch heute an, mit der Nachbargemeinde über einen Zusammenschluss zu reden. Eine grössere Kirchgemeinde ist eine stärkere Kirchgemeinde – und wird ihre Autonomie viel länger und kreativer wahrnehmen können als eine kleine, die ums Überleben kämpft.» Es sei falsch, zu warten, bis der Druck plötzlich zu gross werde: «Wir haben in Murgenthal gesehen, wie schnell einer Kirchgemeinde ihre Handlungsfähigkeit abhandenkommen kann. Es geht gar nicht anders, als dass wir näher zusammenrücken.» Er glaube aber nicht, dass der radikale Vorschlag von nur noch einer Kirchgemeinde im Kanton der richtige Weg sei, so der Kirchenmanager. «Aber es befeuert die Diskussion. Das begrüsse ich sehr.»

Zur Person

Christoph Weber-Berg (1964) studierte an der Universität Zürich Theologie. 1995 wurde er als Pfarrer in die Kirchgemeinde Lenzburg-Hendschiken gewählt. Seine Doktorarbeit beschäftigte sich mit der Kulturbedeutung des Geldes. Für die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich baute er die Fachstelle Kirche und Wirtschaft auf. 2009 wurde als Dozent für Wirtschaftsethik und Leiter des Center for Corporate Social Responsibility an die HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich berufen. Seit 2012 ist er Präsident des Kirchenrates der Reformierten Landeskirche Aargau. Er lebt in Staufen, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Söhnen. (zt)