ETH-Studie zeigt, wie viel CO2 die Wälder weltweit zusätzlich speichern könnten
Im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung nehmen Wälder eine Schlüsselrolle ein, weil sie während ihres Wachstums der Atmosphäre CO2 entziehen. Je mehr Bäume, desto besser fürs Klima.
Doch wie Studien gezeigt haben, bringen einige Aufforstungsbemühungen kaum einen Nutzen, weil die Wälder über Jahrzehnte geschützt und gepflegt werden müssten. Holzwirtschaft kann dort nicht betrieben werden. Und vor allem ist das Potenzial der Aufforstung durch den starken Wettbewerb um Land begrenzt. Wo Wälder wachsen, gibt es keinen Platz für Landwirtschaft.
Allerdings braucht es, um die CO2-Speicherung zu erhöhen, nicht zwingend neue Wälder. Auch ein zielgerichteter Schutz von bestehenden Waldgebieten hilft, weil intakte und naturbelassene Wälder sehr effektiv Kohlendioxid einlagern.
Potenzial ist nur halb so hoch wie zunächst gedacht
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der ETH Zürich und der gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC) hat nun erstmals mithilfe von künstlicher Intelligenz berechnet, wie viel Kohlenstoff sich in den Wäldern zusätzlich speichern liesse, wenn der Mensch nicht mehr in dieses Ökosystem eingreift, also kein Holz mehr ernten und nutzen würde. Die Ergebnisse erschienen soeben im Fachmagazin «Science».
Ihr Fazit: Das noch nicht ausgeschöpfte Potenzial ist eher gering und weniger als halb so gross wie in früheren Arbeiten vermutet. Demnach liesse sich lediglich die Menge an CO2 zusätzlich speichern, welche die Welt in nur vier Jahren ausstösst.
«Die Kohlenstoffspeicherung in den Wäldern wird oft als Königsweg zur Lösung der Klimakrise angesehen», sagt Erstautor und ETH-Doktorand Caspar Roebroek. Diese Studie zeige aber, dass es sich bloss um ein Werkzeug handle, um langfristig die nur schwer zu vermeidenden Treibhausgasemissionen etwa aus der Landwirtschaft auszugleichen. Zur CO2-Kompensation von klimaschädlichem Verhalten taugt es demnach nicht.
Aber immerhin: Ohne jegliche Forstwirtschaft liessen sich 44 Milliarden Tonnen CO2 mehr in den derzeit vorhandenen Wäldern speichern, was einem Plus von 15 Prozent entspräche. Um die gleiche Menge durch Aufforstung zu erreichen, müsste eine Fläche von 7,1 Millionen Quadratkilometer neu bewaldet werden, sagt Roebroek. Das entspricht einer Fläche grösser als Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen.
Stopp der Entwaldung ist die wirksamste Strategie
Roebroek betont, dass es sich bei den ermittelten Werten nur um theoretische Zahlen handle. Denn ein völliger Verzicht auf Forstwirtschaft ist utopisch – und je nachdem sogar klimaschädlich. Denn Holz kann als Baustoff treibhausgasintensive Baumaterialien wie Beton ersetzen oder als Energieholz fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas.
Die wirksamste Strategie im waldbasierten Klimaschutz bleibt daher, die weltweiten Abholzungen und Brandrodungen zu stoppen. Dies steht allerdings im Kontrast zur immer noch voranschreitenden Entwaldung. Gemäss «Global Forest Watch» gingen in den vergangenen zwanzig Jahren weltweit insgesamt 437 Millionen Hektaren verloren, was einem Rückgang des Baumbestands um 11 Prozent entspricht.
Doch es gibt Hoffnung: An der Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 haben sich 145 Länder verpflichtet, bis 2030 die weltweite Zerstörung von Wäldern zu stoppen.