Nach 7 Stunden Debatte: Nationalrat versenkt die Gletscher-Initiative
Der Nationalrat empfiehlt die Gletscher-Initiative wie erwartet deutlich zur Ablehnung. Mit 104 zu 67 Stimmen gab es dagegen grossen Support für den direkten Gegenvorschlag. Dieser verfolgt zwar das gleiche Ziel – die Netto-Null beim CO2-Ausstoss bis 2050 soll in die Verfassung – wählt aber einen deutlich anderen Weg. Im Gegenvorschlag wird nach der parlamentarischen Beratung sowohl auf einen klaren linearen Absenkpfad verzichtet und auch sollen in 28 Jahren fossile Energien weiterhin erlaubt sein.
Neben dem Ziel war auch der Handlungsbedarf unumstritten. Ausser der SVP betonten alle Parteien, dass es beim Klimaschutz nun rasch Lösungen brauche. Dabei strichen viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier heraus, dass sie erst kürzlich eine Wanderung zu einem Gletscher unternommen hätten. Sie brachten eher sorgenvolle Beobachtungen mit ins Bundeshaus.
Da es eilt will das Parlament mehr Zeit
Die Debatte war lang und die Meinungen im Vorfeld längst gemacht. Während sich die Linke auf die Seite der Initianten stellte, weibelten Mitte und FDP für den Gegenvorschlag. Oder besser: Die Gegenvorschläge. In der Kommission wird bis im Sommer ein indirekter Gegenvorschlag ausgearbeitet. Die Umweltkommission will sich den Umweg über die Verfassung schenken und stattdessen Gesetze ausarbeiten. Das hätte den Vorteil, dass es bei einer Abstimmung kein Ständemehr braucht und es wäre auch deutlich schneller umsetzbar.
Und weil schneller bei der Klimakrise wichtig sei, kauft sich das Parlament Zeit. Der Nationalrat verlängerte die Behandlungsfrist für die Initiative um ein Jahr bis Mitte 2023. So kann auch der neuerliche indirekte Gegenvorschlag beraten werden und dadurch – so zumindest die Hoffnung in der Kommission – die Initianten zum Rückzug ihres Begehrens bewegen. Diese hatten bereits im Vorfeld signalisiert, dass sie dazu bereit sind, wenn das Parlament eine griffige Alternative geschaffen werde.
Ein Absenkpfad light
Tatsächlich ist es fraglich, ob einer der beiden Gegenvorschläge am Ende im Sinne des Vereins Klimaschutz Schweiz ist, der das Begehren lanciert hat. Unterstützt wird es auch von mehreren Umweltorganisationen. Ein linearer Absenkpfad wie er von den Initianten gefordert wird, dürfte es nicht geben. Zu gross ist der Widerstand der Bürgerlichen. Im direkten Gegenvorschlag wurde dieser gegen den Willen des Bundesrates bereits wieder gestrichen.
Zwar sei es absehbar gewesen und doch überwiege die Enttäuschung, schreibt der Verein Klimaschutz Schweiz in einer ersten Reaktion. Was die Köpfe hinter der Gletscher-Initiative dagegen freut, ist, dass die eigentlichen Ziele in der Debatte praktisch unumstritten waren. Sie würden nun entsprechend einen «griffigen indirekten Gegenvorschlag» erwarten, heisst es in der Mitteilung.
Gutgeheissen hat der Rat dagegen einen Antrag von Marco Romano (Mitte/TI). Dieser will auch, dass es zu einer «gleichmässigen Reduktion der Treibhausgasemissionen» kommt, will dabei aber auch die «Potentiale und die unterschiedlichen Ausgangslagen der einzelnen Wirtschaftszweige und der Bevölkerung» berücksichtigen. Das ist eigentlich auch ein Absenkpfad zur CO2-Reduktion, lässt aber einigen Spielraum.
«Miteinander Lösungen suchen»
Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte die Wichtigkeit von klaren Zielen. Nur so könne es gelingen, die Klimaziele zu erreichen. Der Antrag von Romano nehme zwar Anliegen der Initianten und vom Bundesrat auf, sei aber deutlich «weniger ambitioniert», so Sommaruga. Sie appellierte an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, dass sie «miteinander Lösungen» suchen sollen – dies unter anderem im Hinblick auf den indirekten Gegenvorschlag, der baldig verabschiedet werden soll.
Nicolo Paganini (Mitte/SG) dämpfte namens der Kommission die Erwartungen an diesen bereits ein bisschen. Alle Erwartungen, die die Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Couleur an diesen haben, könne dieser gar nicht erfüllen. Wie unterschiedlich die Haltungen sind, zeigte sich in der Debatte deutlich. Während bei den Linken die Alarmglocken läuten, zweifelte Andreas Gafner (EDU/BE) an, dass der Einfluss der Menschen auf den Klimawandel tatsächlich so hoch sei.
Nun geht die Vorlage an den Ständerat.