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Soll der Klimaschutz in die Verfassung? Jetzt sind Parteien, Gemeinden und Verbände gefragt

Der Grosse Rat hatte vor einem knappen Jahr die Aufnahme eines Klimaartikels in die Verfassung befürwortet. Seit Donnerstag ist die abgespeckte Version in der Vernehmlassung. Aus Sicht der Grünen hat der Artikel Chancen, die Brisanz des Themas sei noch offensichtlicher als vor einem Jahr.

Die Zürcherinnen und Zürcher haben am 15. Mai beschlossen, den Klimaschutz in ihrer Kantonsverfassung zu verankern. Gut 67 Prozent der Stimmenden haben den Klimaartikel an der Urne angenommen. Er besagt, dass sich Kanton und Gemeinden für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Auswirkungen einsetzen. Sie sorgen für geeignete Massnahmen und fördern die Entwicklung von neuen Technologien für den Klimaschutz.

Im Kanton Bern wurde im letzten September ein ähnlicher Klimaartikel gutgeheissen, in Glarus hat die Landsgemeinde ebenfalls einen beschlossen. Auch in Genf oder Baselstadt ist der Klimaschutz verankert, in weiteren Kantonen ist es geplant.

Zweite Beratung im Grossen Rat Anfang 2023

Und auch im Aargau könnte bald der Schutz des Klimas in der Verfassung stehen. Am 31. August 2021 hat der Grosse Rat eine entsprechende parlamentarische Initiative vorläufig unterstützt und der zuständigen Kommission zur Behandlung überwiesen. Am Donnerstag veröffentlichte diese die überarbeitete Vorlage. Sie geht jetzt bis am 28. Oktober bei Parteien, Verbänden und Gemeinden in die Vernehmlassung. Der Grosse Rat berät noch einmal Anfang 2023, die Stimmbevölkerung hat das letzte Wort.

Die parlamentarische Initiative eingereicht hatten Jonas Fricker (Grüne), Gian von Planta (GLP), Uriel Seibert (EVP), Gabi Lauper (SP) und Alfons P. Kaufmann (Die Mitte). Ausser, dass sich Kanton und Gemeinden für die Begrenzung des Klimawandels und seiner Auswirkungen einsetzen, solle auch der Einsatz geeigneter Massnahmen und die Innovation in der Verfassung stehen. Doch die Kommission für Umwelt, Bau und Verkehr hat aus ursprünglich drei Absätzen einen gemacht. Dieser lautet:

«Kanton und Gemeinden setzen sich für die Begrenzung des Klimawandels ein und stärken ihre Fähigkeit zur Anpassung an dessen nachteilige Auswirkungen. Sie berücksichtigen dabei die Ziele des Bundes und der für die Schweiz verbindlichen internationalen Abkommen.»

Weg fällt die namentliche Erwähnung der Handlungsfelder und dass die Treibhausgasemissionen bis zur Klimaneutralität zu reduzieren seien. Eine Minderheit der Kommission fordert indes einen zweiten Abschnitt, der genau das verlangt.

Ein Rahmen für Klimamassnahmen

Mirjam Kosch, Grossrätin Grüne.
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Es sei nicht überraschend, dass die Kommission den Artikel etwas zusammengestrichen hat, sagt Grünen-Grossrätin Mirjam Kosch auf Anfrage. Die Grünen würden denn auch den Minderheitsantrag aus der Kommission unterstützen, stellt sie in Aussicht. Dennoch ist Kosch froh: «Ein Klimaartikel in der Verfassung wäre immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung», sagt sie. Zwar brauche es vor allem Massnahmen für den Klimaschutz, diesen könnte man mit einem Verfassungsartikel auch einen Rahmen geben.

Im Grossen Rat hatte es der Klimaartikel vor einem knappen Jahr nicht leicht. Er wurde mit 69 Ja- zu 59 Nein-Stimmen gutgeheissen, für die Überweisung waren 60 Stimmen nötig. Dagegengestellt hatten sich vorab die Fraktionen von SVP und FDP, in der Mitte und links war man sich grossmehrheitlich einig, dass es den Artikel braucht.

Christian Glur, Grossrat SVP
zvg

Auch in der Kommission habe es intensive Diskussionen gegeben, sagt deren Präsident Christian Glur (SVP). «Die Meinungen gingen auseinander. Jetzt liegt vor, was aus Sicht der Mehrheit in der Aargauer Verfassung stehen soll.» Der ursprüngliche Artikel aus der parlamentarischen Initiative sei abgespeckt worden, man wolle sich in der Verfassung auf das Wesentliche beschränken – das sei auch das, was in Grossem Rat und Bevölkerung eine Mehrheit finden könne.

Stimmung anders als vor einem Jahr

In der ersten Debatte im Grossen Rat hatten die Gegnerinnen und Gegner vor allem damit argumentiert, der Klimaartikel sei unnötig. Die Ablehnung der Bevölkerung von Energiegesetz und Co2-Gesetz hätte zudem gezeigt, dass Verbote unerwünscht seien, man auf Eigeninitiative setzen müsse.

Die Stimmung sei heute eine andere, findet Mirjam Kosch – sie glaubt denn auch, dass der Klimaartikel vor dem Volk eine Chance hat. «Es ist brisant auf allen Ebenen», sagt sie – das sei spürbar, Hitzerekorde und steigende Energiepreise würden schliesslich jeden treffen. Darum brauche es jetzt vor allem auch Massnahmen, so die Grünen-Grossrätin.

Strategie Energie-Aargau soll überarbeitet werden

Dafür reicht ein Klimaartikel nicht. Per Motion fordert Kosch, zusammen mit weiteren Grossratsmitgliedern von Grünen, GLP und SP, dass auch die Strategie Energie-Aargau, an der sich die kantonale Energiepolitik orientiert, innerhalb eines Jahres überarbeitet wird. Wie es um die Erreichung der Ziele steht, solle durch ein jährliches Monitoring überprüft und allenfalls angepasst werden.

Der Energiekanton Aargau verdiene eine aktuelle und zukunftsgerichtete Energiestrategie, welche die Erreichung der Klimaschutzziele garantiere und gleichzeitig zur Energieversorgungssicherheit beiträgt. Die Strategie solle für die zukünftige Energiepolitik an erster Stelle stehen. Eine Überarbeitung solle dazu führen, dass sie wieder als Orientierungsrahmen für die kantonale Energiepolitik fungiert, an der sich sämtliche entsprechende Gesetze und Verordnungen ausrichten können.