Jetzt erreicht die Flugscham den Supermarkt – was eingeflogen wird, soll deklariert werden
Die Mango aus der Elfenbeinküste, das Lammfleisch aus Neuseeland, die Spargeln aus Peru oder die Ananas aus der Dominikanischen Republik: All diese Produkte gelangen per Flugzeug in die Regale der Schweizer Detailhändler, weil sie besonders rasch verderben und deshalb möglichst schnell nach der Ernte oder dem Schlachten beim Konsument ankommen sollen. Doch deren Transport verursacht verhältnismässig hohe CO2-Emissionen.
Gemäss einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (DE) schneidet etwa eine per Flugzeug nach Europa transportierte Ananas bezüglich Treibhausgasemissionen 25-mal schlechter ab als dieselbe Frucht, die per Schiff transportiert wird. Andere Studien kommen zum Schluss, dass die durch den Flugtransport entstehenden Treibhausgase pro Kilogramm Lebensmittel bis zu 170-mal höher sein können als beim Schiffstransport.
Kundschaft soll wissen, wie die Ware transportiert wurde
In einem Vorstoss fordert nun Nationalrätin Christine Badertscher (Grüne/BE), dass künftig alle Lebensmittel deklariert werden müssen, die per Flugzeug in die Schweiz gelangen. Und zwar, weil «die eingeflogene Ware einen unverhältnismässig hohen Umweltfussabdruck verursacht und nicht im Sinne einer nachhaltigen Ernährung ist», wie Badertscher sagt. «Mit einer Deklarationspflicht für Flugware schaffen wir Transparenz gegenüber den Konsumierenden. Sie können sich dann bewusst für oder gegen Lebensmittel entscheiden, die in die Schweiz geflogen werden.»
Unterstützung für ihr Anliegen erhält die Nationalrätin von Links bis Rechts – vor allem aus bäuerlichen Kreisen: Neben SVP-Nationalrat Alois Huber haben auch Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter sowie FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois die parlamentarische Initiative mitunterzeichnet. Ebenfalls überzeugt vom Vorstoss ist Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder. Sie bemerke im Alltag, «dass viele Menschen nicht wissen, woher die Lebensmittel kommen». Da zudem der klimaschädliche Transport nicht im Preis abgebildet werde, müsse nun zumindest eine Deklarationspflicht eingeführt werden, findet die Luzerner Bäuerin.
Anteil der Flugware schon heute sehr tief
Der Vorstoss von Badertscher wird am Freitag in der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur diskutiert. Trotz der parteiübergreifenden Unterstützung ist keinesfalls gewiss, dass die parlamentarische Initiative durchkommt. Kritik kommt etwa von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen: «Ich finde es fragwürdig, weshalb man nur den Flugtransport der Deklarationspflicht unterstellen will. Schliesslich gibt es auch andere Transportwege, die nachweislich hohe Emissionen verursachen.» Zudem sei eine solche Vorgabe «als Insellösung einzig für die Schweiz schwierig umzusetzen und überhaupt nicht verhältnismässig».
Tatsächlich ist der Anteil der per Flugzeug importierten Lebensmittel gemessen am totalen Nahrungsmittelkonsum in der Schweiz gering. Das zeigen Daten des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). So wurden 2021 rund 15’500 Tonnen Lebensmittel eingeflogen. Am häufigsten per Flugzeug transportiert wird frischer Fisch. Rund fünf Prozent des importierten Fischs gelangt via Luftverkehr in die Schweiz. Auch Gemüse und Obst wird in die Schweiz geflogen: 2021 waren es über 7000 Tonnen, das entspricht knapp einem Prozent aller Gemüse- und Früchteimporte. Beim Fleisch sieht es ähnlich aus. Der Anteil der per Flugzeug angelieferten Importware liegt bei rund zwei Prozent.
Kaum Flugtransporte bei den Detailhändlern
Die Zahlen des Bundes decken sich mit den Angaben der Detailhändler. So schreibt etwa die Migros auf Anfrage, dass 2021 der Anteil der Flugware «lediglich 0,33 Prozent der Gesamtabsatzmenge» ausgemacht habe und in der Tendenz Jahr für Jahr sinke. Zwar bleibe der Konsum eingeflogener Lebensmittel ziemlich konstant, doch die Migros prüfe regelmässig, «wo es Alternativen zum Flugtransport gibt, sei es durch eine alternative Herkunft oder Transportmöglichkeit». So werde beispielsweise Lamm aus Neuseeland vermehrt tiefgefroren per Schiff transportiert. Zudem kennzeichnet die Migros alle per Flugzeug transportierten Lebensmittel auf der Verpackung mit einem «By Air»-Aufkleber. Das macht auch Konkurrent Coop so. Denner und Lidl wiederum verzichten bei Gemüse und Früchten gänzlich auf Flugware.
Diese freiwilligen Projekte der Detailhändler hat denn auch der Bundesrat in der Vergangenheit als Grund dafür angeführt, weshalb auf eine Transportdeklarationspflicht zu verzichten sei. «Zu prüfen» sei hingegen, ob künftig die «gesamte durch ein Produkt verursachte Umweltbelastung» angegeben werden soll.