Katholische Kirche: 120 weitere Meldungen zu sexuellen Übergriffen
Wie das Bistum Basel am Freitag mitteilt, sind seit der Publikation der Pilotstudie im vergangenen September insgesamt 120 neue Meldungen bei der unabhängigen Meldestelle für sexuelle Übergriffe eingegangen. «Der Fortschritt in der Aufarbeitung ist sichtbar», schreibt das Bistum. Dieses umfasst die Kirchen der Kantone Aargau, Basel-Land, Basel-Stadt, Bern, Jura, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau und Zug.
So seien inzwischen 105 Akteneinsichten in Personal-, Betroffenen-, Pfarrei- und Ordensdossiers vorgenommen worden. Dabei seien in 76 Meldedossiers detaillierte Empfehlungen zuhanden von Bischof Felix Gmür abgegeben worden. «Sämtliche dieser Handlungsanweisungen sind durch das Bistum Basel unverändert umgesetzt worden», heisst es.
Derzeit befinden sich laut Bistum Basel noch 44 Meldedossiers in Bearbeitung. Die allermeisten davon würden in der Zuständigkeit des Bistums liegen. Inhaltlich betreffen diese meist «bereits verstorbene beschuldigte Personen» und juristisch bereits verjährte sexuelle Übergriffe aus der Zeit von 1930 bis 2010. Zudem gebe es sehr viele Meldungen, in denen weder die beschuldigte Person, das mutmassliche Opfer noch das Geschehen bekannt oder eruierbar sei.
Mindestens 1002 Missbrauchsfälle dokumentiert
Vor drei Jahren erteilten die Bischöfe, die katholischen Landeskirchen und die Konferenz der Ordensgemeinschaften dem Historischen Seminar der Universität Zürich den Auftrag, die Missbrauchthematik aufzuarbeiten.
Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich publizierten im letzten September dann eine Pilotstudie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche und dokumentierten 1002 Fälle für den Zeitraum ab 1950.Die Forschenden gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Folgestudien zur Problematik in der katholischen Kirche laufen.
Das Spektrum der bisher aufgedeckten Missbrauchsfälle reicht von problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Taten. Entsprechend brachten die Befunde in der Folge etliche amtierende Bischöfe in die Bredouille, auch wenn der grösste Teil der Vorfälle vor der Jahrtausendwende passierte.
Nach der Präsentation der Studie kam es überdies zu einer Welle von Kirchenaustritten bei zahlreichen Katholischen Kirchgemeinden. Von diesem Aderlass war und ist auch die Evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz (EKS) betroffen.
Reformiertes Kirchenparlament pfeift Präsidentin zurück
Nicht zuletzt im Nachgang zu Untersuchungen unter Reformierten in Deutschland und Frankreich wollte EKS-Präsidentin Rita Famos auch in der Schweiz eine gross angelegte Dunkelfeldstudie durchführen. Doch ihr Vorschlag hat im Kirchenparlament jüngst Schiffbruch erlitten.
Die Synode lehnte den1,6-Millionen-Franken-Kredit für eine umfassende Studie zum Thema sexueller Missbrauch kurzerhand ab.Dies mit dem Verweis darauf, dass sich die Reformierte Kirche beim Bund für die Durchführung einer Dunkelfeldstudie einsetzen solle.
Immerhin konnte sich die Synode dann aber doch noch dazu durchringen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Die soll nun eine allfällige kircheninterne Studie zur Missbrauchsthematik prüfen.(sat/kä)