Autistischer Jugendlicher stirbt nach Aufenthalt in psychiatrischer Klinik – Staatsanwaltschaft ermittelt
Seine letzten Wochen waren dramatisch. Immer wieder hat sich ein autistischer Jugendlicher in der psychiatrischen Klinik in Königsfelden fallen lassen. Von der Bettkante oder aus dem Stand. Rückwärts auf den Hinterkopf, ohne abzubremsen. Es sind Stürze, die ihn schliesslich töten.
Am 30. Dezember 2020 wird er bewusstlos aufgefunden. Einige Tage noch halten ihn Maschinen im Universitätsspital Zürich am Leben. Am 2. Januar 2021 um 13 Uhr werden sie abgestellt. Sein Zustand war hoffnungslos.So beschreibt die NZZ am Sonntag die letzten Tagen des 18-jährigen Aargauers.
Seither kämpft die Familie mit dem Verlust. Und mit den genauen Umständen des Todes ihres Kindes. Die NZZ schildert aus den Krankenakten: Der Jugendliche habe mehr und mehr Zwänge entwickelt. Sei einen Monat in Isolation gewesen. Das Personal habe die Stürze im Isolierzimmer durchs Guckloch beobachtet und notiert.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Klar ist: Die Ereignisse werden untersucht. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach hat ein Strafverfahren gegen eine Ärztin und einen Arzt eröffnet. «Derzeit laufen die Ermittlungen», sagt Adrian Schuler, Mediensprecher der Aargauer Oberstaatsanwaltschaft. Genauere Informationen – Dauer der Untersuchungen oder mutmassliche Delikte – könne man aufgrund des hängigen Verfahrens derzeit nicht erteilen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Und auch der Kanton wurde nach dem Vorfall tätig. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati hat 2021 ein Aufsichtsverfahren zum Fall eingeleitet. Ein weiteres wurden gegen die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) eröffnet. Die Familie wartet noch auf die Ergebnisse der Verfahren.
Auch weitere Familien äussern Kritik
Der Fall des verstorbenen Jugendlichen ist nicht der einzige, den der Artikel beschreibt. Auch weitere Familien mit autistischen Kindern hätten schlechte Erfahrungen in Königsfelden gemacht, schreibt die NZZ. Die Vorwürfe sind stets ähnlich: Starker Fokus auf Medikamente, Druck zur Unterordnung, wenig Beschäftigung, fehlende Behandlungspläne. Die Eltern würden nicht miteinbezogen werden, sondern als Problem angesehen.
Die Psychiatrischen Dienste Aargau entgegnen, bewegungs- oder freiheitseinschränkende Massnahmen würden nur als letztes Mittel eingesetzt. Das Hauptaugenmerk der Behandlung liege auf therapeutischen Massnahmen und nicht auf Medikamenten.
Auch die Politik beschäftige sich anfang Januar mit Königsfelden.GLP-Grossrätinnen und -Grossräte stellten verschiedene Fragen zu Suiziden, Platzmangel oder zum Umgang mit Autismusbetroffenen.«Es wurden derart viele Missstände an uns herangetragen, dass wir das Gefühl haben, es laufe systematisch etwas schief», begründete Interpellantin Manuela Ernst.