
Warum mich meine Tochter ans Militär erinnert
Ich sei ein «dummer Hagel», sagte sie. Ich glaube, sie hat es drei- oder viermal wiederholt, ich habe nicht genau mitgezählt. Sie hört ab und zu Kasperli. Und wir kennen diese Geschichten wahrscheinlich alle. Da taucht bald einmal ein «dummer Hagel» auf. Und dann gibt’s eins auf den «Näggel» und solche Dinge.
Seit kurzem ist sie vier Jahre alt. Und wenn ihr ein neuer Kraftausdruck begegnet, nimmt sie ihn im Normalfall in den Wortschatz auf, da ist sie grosszügig. Nebst «Hagel» habe ich auch schon «Sürmel» gehört, sogar schon «Tubel». Einmal hat sie etwas gesagt, was man eigentlich nicht wiedergeben kann. Ein vulgäres Kompositum. Ich glaube, Kasperli kennt diesen Begriff gar nicht. Sie kam aber nicht selbst drauf, sie profitierte von der Expertise ihrer grösseren Brüder. Die beiden helfen, wo sie können.
Ich muss manchmal schmunzeln, wenn ich an die Zeit zurückdenke, als sie noch nicht da war. Wir hatten bereits zwei Kinder, und irgendjemand hat mir damals gesagt, das dritte Kind würde «mitlaufen». Als würde das System die Aufstockung gar nicht wahrnehmen. Wie bei einer Fabrik, die Fischstäbchen produziert, und jetzt müssen halt zwölf statt zehn Stück in eine Packung. Das macht doch der Abfüllanlage keine Umstände.
Als ich mich in einer viel zu frühen Morgenstunde an der Kaffeemaschine festhielt, kam sie aus dem dunklen Zimmer und schrie ganz laut «Aaa!». Ich zuckte natürlich zusammen. Und dann hiess es, die Kaffeemühle mahle zu laut und das Licht sei zu hell. In diesem Moment erinnerte sie mich an diesen Feldweibel, den ich in der RS im Berner Oberland kennenlernen durfte. Der hat beispielsweise gar nicht «Aaach-tung» kommandiert, sondern einfach ganz laut «Aaa!» geschrien. Und der fand auch vieles nicht in Ordnung, was viele andere ganz okay fanden.
Jetzt ist sie aber auf einmal verstummt. Sie redet kein Wort mehr. Man hört nur noch den Husten. Heiss wie ein Racletteofen liegt sie unter der Decke, mit roten Augen. Der Feldweibel ist erledigt, er kann nicht mehr. Und jetzt kommt das Absurde an dieser Geschichte. Ich nehme ihn in den Arm und wünsche mir innigst, dass er bald wieder seine Feldweibel-Sachen machen kann.