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Die Schweizer Landfrauen und der 8. März: Ein Beispiel für die Ukraine?

Die ukrainische Journalismusstudentin und AZ-Kolumnistin Vitalina Kantseliarenko ist angetan von der Idee hinter den Schweizer Landfrauenvereinigungen, speziell dem Landfrauenverein Reitnau/Attelwil, dem ihre Chefin und Gastmutter angehört.

Den Frühlingsanfang verbinde ich immer mit Frauen. Das erklärt sich ganz einfach, denn ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der der 8. März als Feiertag der «Schönheit, Weiblichkeit und des Frühlings» wahrgenommen wurde. Ich erinnere mich, wie mein Papa oder Klassenkameraden uns an diesem Tag immer Tulpen und Süssigkeiten schenkten. Kurz gesagt: Es ist kein Geheimnis, dass dieser Feiertag schon früher von den sowjetischen Behörden bereits zu sehr verzerrt wurde und nichts mehr mit dessen eigentlicher Essenz und Bedeutung zu tun hatte. Gott sei Dank beginnen jetzt immer mehr Menschen zu verstehen, dass dies ein Tag zu Ehren der Frauen ist, die für ihre Freiheit und Rechte gekämpft haben.

Über Freiheit und Rechte: Der März hat für mich super angefangen. Wochenende … wie viel Leichtigkeit liegt in diesem Wort. Allerdings bedeutet ein freier Tag für mich nicht einen freien Tag für alle. Meine Chefin und Gastmutter Christa Strub arbeitete an diesem Tag und am Abend bat sie um Hilfe bei ihrem Outfit: ihrer Tracht. Sofort fragte ich mich, wohin sie gehen würde, denn eine Tracht trägt man nicht jeden Tag. Wie sich herausstellte, ist es eine Tradition, die Tracht an der Bezirks-Delegiertenversammlung der Landfrauen zu tragen.


Ich hatte zuvor nichts vom Landfrauenverein gewusst, also begann ich mich dafür zu interessieren, worauf ihre Aktivitäten abzielen. Die Landfrauen sind eine Gruppe von Frauen aus ländlichen Gebieten der Schweiz, die sich in einem Verein zusammengeschlossen haben, um ihre Rechte und Interessen zu wahren sowie die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Lebens zu unterstützen. Fast jedes Dorf hat einen aktiven Verein, der vom Vorstand mit meist fünf Frauen geführt wird.

Dieser organisiert ein jährliches Programm mit verschiedenen Aktivitäten wie Handarbeiten, Kochen, Spaziergängen und mehr. Christa erklärte, dass sie versuchen, Frauen die Möglichkeit zu geben, das Haus zu verlassen und sich bei etwas zu engagieren. «Das ist eine Art Herausforderung, denn es ist notwendig, Frauen verschiedener Generationen zu vereinen. Das schreckt aber nicht ab, im Gegenteil: Es gibt Inspiration und Anstoss, über den Tellerrand zu schauen», sagte sie.

Christa Strub (ganz in der Mitte) war 2016 bei der Jubiläumssendung von SRF bi de Lüt – Landfrauenküche mit dabei.
Bild: SRF/Ueli Christoffel

Für mich als Mädchen, das im Dorf aufgewachsen ist, erschien mir der Landfrauenverein recht interessant und sinnvoll. In der Ukraine gibt es auch spezielle Organisationen für Frauen, die in ländlichen Gebieten geboren wurden, aufgewachsen sind oder dort leben und in der Landwirtschaft oder sonst wie unternehmerisch tätig sind. Aber sie sind hauptsächlich in den Bezirks- oder Regionalzentren angesiedelt, was aufgrund der Entfernung zu gewissen Unannehmlichkeiten führt. Vor dem Krieg war der einzige Raum für Frauen in meinem Dorf das «Haus der Kultur», wo gleichzeitig Solistinnen Auftritte für die Feiertage vorbereiteten, während andere zum Beispiel einen Strickkurs abhielten. Von der Verteidigung von Rechten und Interessen der Frauen war keine Rede.

In der modernen ukrainischen Gesellschaft gibt es immer mehr Gleichheit in allen Lebensbereichen, aber es gibt immer noch einen kleinen Prozentsatz derer, die nach Stereotypen leben und glauben, dass eine Frau nur waschen und putzen sollte. Und je ländlicher, desto höher dieser Prozentsatz.

Lasst die Waschmaschine und den Geschirrspüler diese Hausarbeiten erledigen! Vielleicht werden sich ukrainische Landfrauen bald in einer ähnlichen Organisation wie die Schweizer Landfrauen weiterentwickeln, wo sie Erfahrungen austauschen, neue Dinge lernen und sich gegenseitig in verschiedenen Lebensbereichen unterstützen können. Denn ich werde meinen Freundinnen aus der Ukraine auf jeden Fall davon erzählen.

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