Das aktuelle System dient den Schleppern: Die Asylpolitik muss neu gedacht werden
Die Zahl der Asylgesuche sinkt, die Schweiz ist überdurchschnittlich gut im Wegweisungsvollzug, die Sicherheit in und rund um Bundesasylzentren verbessert sich: Beat Jans, begeisterter Hobbyfussballer, hält den Ball flach. Im Interview mit dieser Zeitung kritisierte der Justizminister die Hektik im Parlament; es hagelt Vorstösse zur Asylpolitik.
Nicht nur das. Diese Woche stehen im National- und Ständerat ausserordentliche Sessionen zur Asylpolitik auf der Traktandenliste. Vor allem die SVP und die FDP reden einem schärferen Kurs das Wort. Die bürgerlichen Parteien sind weniger entspannt als Sozialdemokrat Jans.
Dafür gibt es Gründe. Die Kantone und Gemeinden bekunden Mühe, genügend Unterkünfte und Betreuungspersonal zu finden. Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt kommt nur schleppend voran. Und insbesondere Asylsuchende aus nordafrikanischen Staaten sorgen für Unmut: Ihre Chancen auf Asyl tendieren gegen null, dafür treten sie in Polizeimeldungen prominent auf. Sie missbrauchen das Asylrecht für Kriminaltourismus.
Schweizer Asylsystem hat viele Makel
Es ist ein Beispiel, das zeigt: Das Asylsystem in der Schweiz (und in Europa) ist dysfunktional. Etwa die Hälfte der Gesuchsteller hat überhaupt keine Schutzgründe. Die Abklärungen dafür sind aufwendig. Es beginnt bei der Identität. Nur gut ein Viertel der Migranten präsentiert einen Ausweis. Auch aussichtslose Rekurse beim Bundesverwaltungsgericht werden eingereicht. Oft wollen die Gesuchsteller schlicht und einfach nicht, dass sie von der Schweiz in Dublin-Staaten wie Kroatien oder Bulgarien zurückgewiesen werden. Viele Asylsuchende mit negativem Entscheid können nicht ausgeschafft werden, und ein grosser Teil taucht einfach unter.
Ein grosser Makel am System ist die Tatsache, dass Asylsuchende für die Einreichung ihres Gesuchs Schweizer (und europäischen) Boden betreten müssen. Das System kurbelt das Geschäft der Schlepperbanden an. Für Unsummen schleusen sie Menschen übers Mittelmeer oder eingepfercht in Lastwagen nach Europa. Das hat in den letzten Jahren Zehntausende Todesopfer gefordert.
Es ist höchste Zeit, in der Asylpolitik andere Wege zu beschreiten. Oder es zumindest zu versuchen. Die Bemühungen der EU, die Aussengrenzen besser zu schützen und die Verfahren dort durchzuführen, gehen in die richtige Richtung. Viele Staaten in der EU, zuvorderst Dänemark und Grossbritannien, möchten sodann schon lange Asylverfahren in sichere Drittstaaten ausserhalb Europas auslagern. Genannt werden Länder wie Ruanda oder Senegal.
Aus dem linken Lager gibt es Widerstand. Man muss es Justizminister Beat Jans deshalb hoch anrechnen, dass er gewillt ist, diese Lösung ernsthaft zu prüfen. Wenn die Auslagerung von Verfahren in Drittstaaten dazu beiträgt, das Sterben im Mittelmeer zu stoppen, wäre viel gewonnen.
Man muss sich allerdings bewusst sein, dass die Umsetzung äusserst hürdenreich ist. Es müssen Staaten gefunden werden, die Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte garantieren.
Koordination zwischen den Schengenstaaten wäre sinnvoll
Es wäre sinnvoll, wenn sich die Schengen-Staaten in dieser Frage koordinierten und zum Beispiel eigene Fachleute zur Durchführung der Verfahren in Drittstaaten schickten. Auch muss sichergestellt werden, dass die Gesuchsteller bei einem negativen Entscheid in ihre Heimat zurückgeführt werden – und danach nicht trotzdem versuchen, illegal nach Europa zu gelangen.
Einfach wird die Mission Asylverfahren in Drittstaaten garantiert nicht; mehrere Staaten, darunter auch die Schweiz, wälzten solche Ideen schon nach der Jahrtausendwende und verwarfen sie wieder. Klar ist auch: Drittstaaten dämmen die unerwünschte Migration nach Europa nicht gratis ein.
Eine einfachere und sinnvollere Lösung läge auf der Hand: das Botschaftsasyl. Die Schutzbedürftigen müssten so gar nicht erst ihr Land verlassen, sondern könnten auf einer ausländischen Vertretung um Schutz bitten. Auch das Problem der Abschiebung wäre gelöst.
Botschaftsasyl als Alternative würde aber nur funktionieren, wenn es Europa gelingt, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Zur Erinnerung: Die Schweiz schaffte vor gut zehn Jahren diese Möglichkeit ab, weil das andere Länder bereits zuvor getan hatten – und die Schweiz damit zu einer Art Hotspot für Botschaftsasylanträge avancierte.