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Der Bundesrat muss jetzt handeln – sonst wird die Schweiz später komplett von den USA in die Knie gezwungen

Das hatten wir doch schon mal: Die Weltmacht USA nimmt den Bankenplatz Schweiz ins Visier – und neu auch die Rohstoffbranche. Einfach aussitzen lässt sich die Sache nicht. Die Lösung ist gar nicht so kompliziert.

«Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben»: Das soll Michail Gorbatschow, letzter Präsident der Sowjetunion, am 7. Oktober 1989 in Berlin zur sturköpfigen Führungsriege der DDR gesagt haben. Er wollte klarmachen, dass die Zeichen im ganzen Ostblock auf Öffnung stehen. Einen Monat später fiel die Mauer.

Die Zeichen nicht zu erkennen, das kann sich rächen. Das musste der damalige FDP-Finanzminister Hans Rudolf Merz erkennen: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen! Es steht nämlich nicht zur Disposition», sagte er im März 2008 im Nationalrat. Kein Jahr später, unter dem Druck der USA, erlaubte der Bundesrat der UBS, Kundendaten an den US-Fiskus auszuliefern. Es war der Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses.

Ein Tanker legt am Ölterminal des russischen Fernost-Hafens in Kozmino an (Archivbild 2009).
Bild: Keystone

Ähnliches geschah in den 1990er-Jahren bei den nachrichtenlosen Vermögen von Holocaustopfern auf Schweizer Banken. Die Schweiz wollte die Affäre aussitzen, blieb in der Defensive. Bis sie dann umso mehr einbrach. «Die ersten Wetterleuchten wurden nicht ernst genommen», schrieb der damalige FDP-Finanzminister Kaspar Villiger dazu kürzlich. Das Verkennen aufkeimender Krisen sei ein Muster beim Krisenmanagement der Schweizer Politik.

Dieser Tage braut sich erneut ein Gewitter zusammen. Und wieder scheint der Bundesrat vor dem Wetterumschlag Augen und Ohren zu verschliessen. Dabei ist das Donnergrollen vor allem aus Washington, teilweise auch aus EU-Hauptstädten unüberhörbar. Es geht wieder um den Finanzplatz, der im Ausland als sicherer Hafen für Russlands Oligarchen wahrgenommen wird.

Schon im März teilte der US-Botschafter in Bern dem Bundesrat in einem Interview mit, dass Washington mehr Engagement erwarte. Der oberste US-Sanktionsbeauftragte doppelte kurz darauf bei einem Besuch in Bern nach. Und im Juli forderte eine Kommission des US-Kongresses gar Sanktionen gegen ehemalige Schweizer Justizbeamte.

Noch etwas weiter entfernt ist ein weiterer Sturm, der über dem Rohstoffhandelsplatz Schweiz aufzieht. Dieser bleibt für Russlands Exportwirtschaft – und damit für die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine – von zentraler Bedeutung. Kürzlich sprach eine US-Regierungsdelegation bei Schweizer Rohstoffhändlern in Genf vor.

Medienberichte zeichnen nach, wie Schweizer Firmen auf mehr oder weniger legale Weise die Russland-Sanktionen umgehen. Ein Schlupfloch: Die vom Bundesrat beschlossenen Sanktionen gelten nicht für ausländische Tochterunternehmen von hiesigen Firmen.

Unter Druck stehen auch die Schweizer Anwälte und Treuhänder. Sie sollen mit Firmenkonstrukten russische Oligarchengelder in der Schweiz verstecken helfen. Die bürgerliche Parlamentsmehrheit wollte diese Berufszweige 2021 nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellen. Obwohl bereits da klar war, dass dies im Ausland als fortgesetzte Schlaumeierei der Schweiz gesehen würde.

Es ist im ureigenen Interesse der Schweiz, dass sie weder den Finanz- noch noch Rohstoffhandelsplatz so lange gewähren lässt, bis die wichtigsten Partnerländern mit Nachdruck ihre Vorstellungen durchsetzen. Bei aller berichtigten Kritik leisten diese Branchen einen für die Weltwirtschaft wichtigen Beitrag, und im Inland liefern sie viel Steuern ab. Als souveräne Demokratie muss es das Ziel der Schweiz sein, selber die notwendigen Regeln zu erlassen, um politischen und wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.

Der Bundesrat sollte den Ferienmodus beenden und jetzt schnell handeln. Die Vorschläge – etwa eine wirksame Aufsichtsbehörde für den Rohstoffmarkt oder ein Register der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen – liegen auf dem Tisch.

Solche griffige Massnahmen sind keineswegs einfach links, sondern sie werden von unabhängigen Experten gefordert. Sie sind auch und gerade im Interesse der Bürgerlichen und des Wirtschaftsstandorts. Wer den Beteuerungen von politisch exponierten Branchen glaubt, man stelle kein Reputationsrisiko und brauche keine strengeren Regeln, der fällt früher oder später auf die Nase. Das hat die Geschichte mehrfach bewiesen.