Die Allianz zwischen Economiesuisse und dem Bauernverband ist auf Sand gebaut
Es war eine Ohrfeige für Economiesuisse, eine mehr. Im vergangenen Februar wiesen die Schweizer Stimmberechtigten die Aufhebung der Stempelabgabe klar zurück. Der Wirtschaftsdachverband versuchte im Abstimmungskampf, die kleinen und mittleren Unternehmen in den Fokus zu rücken: Diese profitierten von einer Annahme der Vorlage, erklärte Economiesuisse. Das linke Gegenkomitee zeigte hingegen auf die Grosskonzerne – und war damit erfolgreich.
Die Abstimmung machte deutlich, wie der Einfluss des Wirtschaftsdachverbandes abnimmt. Ihm gelang es früher, die Interessen der Wirtschaft als jene der ganzen Bevölkerung darzustellen.
Diese Zeiten sind vorbei. Verheerend für Economiesuisse war die Finanz- und Schuldenkrise von 2007 und 2008. Die Topmanager führen die Wirtschaft an einen Abgrund, und die öffentlichen Haushalte müssen dann den Absturz verhindern: Dieser Eindruck verfestigte sich, als der Bund und die Nationalbank die taumelende UBS mit 68 Milliarden Franken retteten.
Economiesuisse wird negatives Image nicht los
Die Wirtschaft wurde nicht mehr mit Wertschöpfung und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Verbindung gebracht, sondern mit Abzockern, die keine Verantwortung übernehmen wollen, wenn sie scheitern – was recht oft geschieht.
Economiesuisse hat es nicht geschafft, das negative Image abzuschütteln. Dazu trug bei, dass sich der Verband zunehmend schwertat mit dem politischen Handwerk: Die Kampagnen waren allzu akademisch und die Botschaften brav, einige Repräsentanten wirkten selbstgefällig. Es hilft nicht, dass die Zahl der Unternehmensführer abnimmt, die in den Medien die Anliegen ihrer Branche anschaulich vertreten und wirtschaftliche Zusammenhänge so erklären, dass sie allgemein verständlich sind.
Nun hat die «NZZ am Sonntag» geschrieben, dass Economiesuisse mit dem Schweizer Bauernverband eine strategische Allianz eingeht; mit dabei sind der Arbeitgeber- und der Gewerbeverband. Die vier Organisationen sprechen von einer starken bürgerlichen Kooperation, die verhindern soll, dass die politischen Kräfte von Mitte-Links in den Wahlen von 2023 weitere Gewinne erzielen.
Was ist davon zu halten? Economiesuisse kann vom Bauernverband lernen, wie man sich in der Politik kraftvoll einbringt. Der landwirtschaftliche Sektor macht nur noch 0,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, aber der Einfluss des Verbandes ist gross.
Er ist hartnäckig in seinem Lobbying. Er versteht es, für erbrachte Konzessionen Gegengeschäfte auszuhandeln. Die Bauern schlagen sich über ihrer Gewichtsklasse – wobei sie auch von ihrem Ansehen in einem vormals agrarisch geprägten Land profitieren.
Wohl ein Bündnis auf kurze Zeit
Nun stellt sich aber die Frage: Wenn das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten vors Volk kommt – kämpft der Bauernverband dann dafür? Und was ist mit dem Abkommen mit den USA? Blockiert der Bauernverband mit seinem Beharren auf hohen Zöllen weiterhin Fortschritte in diesem Dossier?
Economiesuisse ist für den Freihandel – sie erachtet ihn als essenziell für die Wirtschaft eines Landes, das nur über einen kleinen Binnenmarkt verfügt. Die Bauern stufen den Freihandel aber als existenzgefährdend ein. Der Konflikt wird sich akzentuieren, wenn es der EU gelingt, ein Abkommen für freien Handel und Investitionen mit den USA abzuschliessen. Das erhöht den Druck auf die Schweiz, möglichst schnell nachzuziehen.
Die Interessen von Economiesuisse und Bauernverband laufen sich in wichtigen Belangen zuwider. Darum liegt die Vermutung nahe: Es geht den beiden vor allem darum, im kommenden September die Verrechnungssteuer zu eliminieren, die AHV-Vorlage durchzubringen und die Initiative gegen Massentierhaltung abzuwehren.
Das gemeinsame Engagement verbessert die Aussichten auf Erfolg. Economiesuisse will nicht schon wieder auflaufen mit einer Steuer-Vorlage. Dass daraus eine langfristige Allianz mit den Bauern entsteht, ist hingegen fraglich.