Verheerende Idee: Sexarbeit-Organisationen wollen, dass Flüchtlinge sich prostituieren können
Der Schutzstatus S der Ukrainischen Flüchtlinge ermöglich einen raschen Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt. Das ist ein Vorteil, denn wer eine Arbeit hat, verdient nicht nur Geld, sondern fühlt sich auch weniger hilflos und erhält eine Tagesstruktur. Das ist gesund für die Psyche – besonders, wenn im Heimatland Terror herrscht und die Geflüchteten bei allen Sorgen nur zuschauen können.
In dieser Situation fällt der Schweizer Sexarbeit-Organisation Procore nichts Besseres ein, als zu kritisieren, dass die geflüchteten ukrainischen Frauen sich nicht prostituieren dürfen. Die Behörden würden nicht mit gleich langen Ellen messen, sagt Procore-Geschäftsführerin Rebecca Angelini in allem Ernst gegenüber dem «Tagesanzeiger» und erhält dabei auch noch Sukkurs von der Geschäftsführerin der Organisation gegen Frauenhandel Fiz, Lelia Hunziker. Die Wirtschaftsfreiheit werde verletzt, wenn Personen mit Status S nicht alle legalen Tätigkeiten ausüben dürften.
Geht es Procore und Fiz tatsächlich um die Wirtschaftsfreiheit? Seit Jahren setzt sich beide dafür ein, Sexarbeit als Arbeit wie jede andere anzusehen – dies mit der eigentlich guten Absicht, Prostituierte nicht zu diskriminieren. Doch nun schiesst Angelini komplett übers Ziel hinaus, wenn sie sagt: «Die Frauen, die den Status S haben, sind registriert und wollen legal arbeiten. Das bietet den besten Schutz.»
Prostitution ist legal – aber keine Arbeit wie jede andere
Ja, legale und geregelte Arbeitsverhältnisse sind wichtig. Gerade für Flüchtlinge. Aber Prostitution ist keine Arbeit wie jede andere. Auch wenn sie in de Schweiz legal ist. Beim Sex mit einem Fremden gehen Frauen jedes Mal Risiken ein, die nicht mit den Risiken in anderen Berufen vergleichbar sind: Sie riskieren nicht, abends komplett erschöpft zu sein, wie im Gastgewerbe oder ihre Gesundheit zu schädigen, wie in der Kosmetikbranche. Sie riskieren ihre psychische Gesundheit und diese ist schwer zu heilen.
Schon bisher waren nicht wenige Ukrainerinnen im Schweizer Sexgewerbe. Aber bei Befragungen geben Prostituierte selten an, dass diese Arbeit ihre erste Wahl sei. Selbst wenn sie nicht durch einen Zuhälter dazu gedrängt werden, ist Prostitution stets eine Notlösung, wenn es nicht mit einer anderen Arbeit klappt. Einer, bei der Frauen nicht ihr Intimstes Fremden Preis geben müssen – und zwar Männern, welche ihnen im Konfliktfall körperlich überlegen sind.
Diese Arbeit schadet der Psyche langfristig gesehen
Es ist bekannt, dass die meisten Prostituierten Drogen- oder Alkoholprobleme bekommen, wenn sie die Arbeit über Jahre ausführen. Alexander Ott, Chef der Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei der Stadt Bern, sagte 2020: Der Grund, weshalb Prostituierte in der Schweiz seien, sei Alternativ- und Perspektivlosigkeit. Mit Sicherheit könne er sagen, dass er noch nie eine Frau getroffen habe, die diesen Beruf über längere Zeit ausübte und dabei gesund geblieben sei.
Gegenüber dieser Zeitung schilderte letzte Woche die ukrainische Historikerin Marta Havryshko deutlich, warum gerade jene Frauen, die in einem Kriegsgebiet vergewaltigt worden sind, einfache Ziele von Frauenhändlern und Freiern sind: «Wir wissen von zahlreichen Studien, dass Frauen, die sexuell missbraucht worden sind, relativ einfach in die Prostitution rutschen. Sie bestrafen sich damit, weil sie sich beschmutzt und schuldig für den Übergriff fühlen.»
Havryshko sagte klar: Das lässt sich verhindert, indem sie einen echten Job erhalten. Und nun will Procore den geflüchteten Ukrainerinnen diese Art von Arbeit zugänglich machen, obwohl gerade diese mit dem Status S sehr wohl andere Perspektiven und Möglichkeiten in der Schweiz haben. Und obwohl auch ihre Lebenshaltungskosten (wenn auch sehr knapp) gesichert sind.
Procore und Fiz entlarven sich selbst
Tatsächlich sind offenbar zum Beispiel beim Kanton Zürich einige Arbeitsgesuche fürs Sexgewerbe von Ukrainerinnen mit Status S eingegangen, darunter auch solche von Frauen, die sich bisher nicht prostituiert haben. Der Kanton Zürich bewilligt diese nicht – mit dem Argument, die Sexarbeit vertrage sich nicht mit dem Schutzgedanken, der dem Status S zugrunde liege, wie Fabian Boller vom Amt für Wirtschaft und Arbeit gegenüber dem «Tagesanzeiger» sagte.
Die Organisationen Procore und Fiz haben sich mit ihrer Forderung selber entlarvt: Wenn es ihnen tatsächlich darum ginge, die Situation von Frauen im Sexgewerbe zu verbessern, dann würden sie sich auch dafür einsetzen, dass der Einstieg gar nicht erst nötig wird. Die Forderung, die man stellen müsste wäre, dass die Geflüchteten so gut finanziell unterstützt werden, dass es tatsächlich zum Leben reicht. Bis sie eine Arbeit gefunden haben, die sie nicht noch mehr traumatisiert.