
Umwelt-Initiative: Auf Innovation bauen statt auf ein radikales Verzichtsprogramm
Ja, wir haben ein Problem. Wir verbrauchen zu viele natürliche Ressourcen und setzen zu viele Schadstoffe frei. Höhlen wir unseren Planeten zu stark aus, geht unsere Lebensgrundlage verloren.
So weit, so schlecht.
Die jungen Grünen verlangen mit ihrer Umweltverantwortungsinitiative, dass die Schweiz ihre planetaren Grenzen respektiert. Sprich, dass die natürlichen Ressourcen nicht übernutzt werden. «Intakte Natur statt endloses Profitstreben», heisst es im Argumentarium der Initianten. «Wir schaffen eine Zukunft, in der alle Menschen ein gutes Leben führen können: mit lokalen Lebensmitteln, einer sauberen Umwelt, stabilen Arbeitsplätzen sowie mehr Zeit für Gemeinschaft statt Stress und Einsamkeit.» Für den radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft setzen die jungen Grünen eine Frist von zehn Jahren.
Afghanistan, Madagaskar und Haiti erfüllen die Bedingungen
Wohlverstanden: Das Ziel der Initiative, eine intakte Umwelt, ist unbestritten. Und es gehört zu den Privilegien der Jugend, ungeduldig und radikal zu sein. Doch die Initiative ist eben auch reichlich naiv. Der Bundesrat rechnet vor, dass der Konsum in der Schweiz um zwei Drittel reduziert werden müsste. Die planetaren Grenzen – sie umfassen neun Dimensionen, darunter Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Land- und Wasserverbrauch – werden von Ländern wie Afghanistan, Madagaskar oder Haiti eingehalten.
Diese Feststellung ist weder zynisch noch darf sie die Schweiz davon abhalten, mehr für die Umwelt zu tun. Seit die Jungen Grünen vor vier Jahren ihre Initiative lanciert haben, hat die Schweiz die Klimaneutralität bis 2050 in der Verfassung verankert, das C02-Gesetz verschärft, im Rahmen des Stromgesetzes den Ausbau der erneuerbaren Energien beschlossen, die Kreislaufwirtschaft vorangetrieben. Und die Bevölkerung hat den Ausbau der Autobahnen gestoppt.
Diese Aufzählung will nicht heissen, dass alles im Lot ist. Aber dass die Schweiz auf dem richtigen Weg ist. Sie hat in letzter Zeit einige konkrete Vorhaben beschlossen, um die Umweltbelastung zu reduzieren.
Konkret – das ist das Gegenteil der Initiative der Jungen Grünen. Sie lancierten das Volksbegehren kurz nach der knappen Ablehnung des CO2-Gesetz 2021. Die damalige Co-Präsidentin Julia Küng sagte damals, bei der Diskussion um das CO2-Gesetz habe man sich in Details verrannt, in den leidigen Streit um 12 Rappen mehr oder weniger für den Liter Benzin zum Beispiel. Der Vorzug der Umweltverantwortungsinitiative, sagte Küng, liege gerade darin, dass sie nicht einzelne Massnahmen in die Verfassung schreiben will, sondern das Prinzip, nicht mehr zu verbrauchen und zu verschmutzen, als es die Natur verkraften kann.
Und so geben sich die Initianten denn auch im laufenden Abstimmungskampf äusserst wortkarg, wie sie sich die Umsetzung der Initiative vorstellen. Fleisch verbieten? Auf keinen Fall. Ölheizungen verbieten oder den Langsamverkehr ausbauen sind das Konkreteste, was zu hören ist. Nur: Das alleine genügt nicht.
Nur noch ein Paar Schuhe pro Jahr
Es sind die Bereiche Ernährung, Wohnen und Mobilität, wo es drastische Einschnitte gäbe. Umweltingenieur Harald Desing, der im wissenschaftlichen Beirat des Initiativkomitees sitzt, hat in der «Zeit» skizziert, wie sich unser Lebensstil verändern müsste. Ernährung vorwiegend vegan, Milchprodukte würden zur Delikatesse. Zweieinhalb Kilo neue Kleider und ein Paar Schuhe pro Jahr. Den Wasserverbrauch mehr als halbieren. Fortbewegung vor allem zu Fuss und mit dem Velo. Zug, Bus, Auto und Motorräder maximal 8500 Kilometer pro Person und Jahr.
Desing selbst wohnt mit Frau und seinen zwei Kindern in einer 60-Quadratmeter-Wohnung. Das sei wunderbar: Je weniger Fläche man habe, desto weniger Dinge häuften sich an, desto weniger müsse man putzen, desto mehr Zeit bleibe für anderes. «Für Ausflüge in die Natur, für die Gemeinschaft oder dafür, in einem Reparatur-Café mitzuhelfen.»
In diesen Aussagen schwingt eine fundamentale Kritik an unserem Wirtschaftssystem mit. Im Grunde geht es um eine alte Konfliktlinie: Sollen wir die Umwelt vor allem mit Verzicht retten oder ist es zielführender, die Probleme mit Innovation zu bewältigen?
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Fortschritt eben nicht nur gleichbedeutend mit Wachstum ist – sondern auch zu einem schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen beiträgt.
Seit 1990 hat sich die Wertschöpfung der Schweiz verdoppelt, doch gleichzeitig wurden die Emissionen halbiert. Das ist der Weg, den die Schweiz gehen muss. Die Bevölkerung macht dabei mit. Anders als bei einem radikalen Verzichtsprogramm.