Der Aargauer Alex Faber und seine Familie werfen (fast) keine Lebensmittel mehr weg – nicht mal Rüebli-Schalen
38 Prozent der Lebensmittelabfälle entsteht nicht etwa in der Gastronomie oder im Einzelhandel, sondern bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zuhause, heisst es in einer Medienmitteilung des Kantons Aargau. Nun will das kantonale Umweltdepartement in einem Pilotprojekt erstmals ermitteln, wie dieser Foodwaste tatsächlich in einem Aargauer Haushalt entsteht.
Dazu hat sich die Fachstelle Nachhaltigkeit auf die Suche nach Privatpersonen in Wallbach und Rheinfelden gemacht, die ihren Foodwaste messen lassen. 47 Haushalte seien dem Aufruf gefolgt, schreibt Projektleiterin Franziska Ruef auf Anfrage. Somit werde im Rahmen des Projekts «Aufgabeln!» der Foodwaste von etwa 100 Personen erfasst.
Einer davon ist Alex Faber aus Wallbach. Der selbstständige Informatiker hat sich auf den Aufruf der Gemeinde gemeldet und sich bereit erklärt mit seiner Familie zwischen dem 28. August und dem 10. September alle weggeworfenen Lebensmittel zu wiegen. Diese Zeitung hat ihn während der Messung besucht. Da der Aufwand im Alltag gering ist, würde er sich jederzeit wieder melden, sagt er im Gespräch in seinem Garten. Er müsse einfach abends die Grammzahlen des Foodwastes in ein Online-Formular eintragen. Er sagt weiter: «Auch die Familie macht mit mehr oder weniger Begeisterung mit.»
Zwei Kilo Foodwaste in zehn Tagen produziert
Rund zwei Kilo Foodwaste produzierte der Vier-Personen-Haushalt in den ersten zehn Tagen, schätzt Faber. Darunter befinden sich aber auch schwere Abfälle wie beispielsweise eine verdorbene Melone. Bereits vor dem Projekt ging der Familienvater mit seiner Frau und seinen zwei Kindern sehr bewusst mit Lebensmitteln um und versuchte, Foodwaste zu vermeiden. «Besonders bei Fleischprodukten achten wir darauf, dass nichts weggeworfen wird», sagt er. Einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln möchte er auch seinen Kindern weitergeben. «Wir haben gute Esser zuhause, da bleibt nicht viel übrig», sagt Faber.
Auch beim Einkaufen ist Faber sehr aufmerksam. Hungrig einkaufen ist ein No-Go. Er kaufe lieber etwas teurere Produkte, dafür weniger davon. Regionalität ist ihm ebenfalls sehr wichtig. Denn Produkte aus der Region seien erfahrungsgemäss auch länger haltbar als abgepackte Discountprodukte. Ein Umdenken im Konsum müsste von der Bevölkerung her kommen. Denn ein grosses Problem ist heute laut Faber die Überverfügbarkeit. Zu viel Auswahl, in zu grossen Mengen, würde dazu führen, dass Leute mehr kaufen als sie brauchen.
An ihrem Konsumverhalten habe Familie Faber für das Projekt nichts geändert. Denn schliesslich will der Kanton den Ist-Zustand ermitteln. Der Familienvater möchte aber genauer erfahren, was alles zu Foodwaste zählt. Wie sieht es mit Produkten aus, die sich noch anderweitig verwenden lassen? Ist Kompost auch Foodwaste? Was ist mit Gemüseresten, die ihre Meerschweinchen fressen?
Projektteilnehmende vernetzen sich untereinander
Am Kickoff-Event zum Projekt «Aufgabeln!» hat er auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennengelernt. Die meisten machen sich ebenfalls viele Gedanken zu ihrem Lebensmittel-Konsum. Deshalb zweifelt Faber auch ein wenig daran, ob die Resultate nach der Messung wirklich repräsentativ seien. Denn die Personen, die verschwenderisch leben, viel Foodwaste produzieren und sich nicht mit Lebensmitteln auseinandersetzen, würden wohl gar nicht am Projekt teilnehmen. Doch die Kontakte mit Gleichgesinnten, die sich durch das Projekt ergeben, findet Faber sehr spannend. Im gegenseitigen Austausch könne man noch einiges dazulernen.
Auch fragt er sich, ob das Gewicht die richtige Masseinheit für Foodwaste ist. Die Schale eines Kürbis fällt mehr ins Gewicht als die abgeschnittenen Stiele von Pilzen. Ist das Wegwerfen einer 200 Gramm Mango vom anderen Ende der Welt nicht schlimmer als das Wegwerfen eines 200 Gramm Apfels aus dem Nachbardorf? Denn in weggeworfenen Lebensmitteln steckt schliesslich nicht nur das Geld der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für den Transport notwendige Ressourcen und Arbeitskraft.
Im Projekt «Aufgabeln!» werden beispielsweise auch theoretisch verwertbare Abfälle wie Karottenschalen als Foodwaste eingestuft. Wo dabei die Grenze zu Abfall ist und ab wann ein Produkt anders verwertet werden kann, gilt es noch herauszufinden. Antworten auf die offenen Fragen soll das Pilotprojekt liefern.
Das Ziel sind Erkenntnisse für den ganzen Aargau
Nach der zweiwöchigen Messphase werden die Daten ausgewertet und im Rahmen einer Schlussveranstaltung mit den Teilnehmenden diskutiert, so die Projektleiterin Franziska Ruef. Ziel der Schlussveranstaltung sei es, die Gründe der gemessenen Lebensmittelabfälle besser zu verstehen, um einen darauf basierenden Leitfaden zu entwickeln.
Der Leitfaden, welcher sich auf die Daten und Erfahrungen der Teilnehmenden stützt, soll danach über die zwei Pilotgemeinden hinaus über Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit Foodwaste informieren, erklärt die Projektleiterin.
Der Kanton investiere dafür rund 50’000 Franken; darin inbegriffen seien die etwas höheren Kosten für das Pilotprojekt, aber auch langfristig der Grossteil der Kosten für alle Massnahmen und Produkte, wie den kantonsweit einsetzbaren Leitfaden sowie die Durchführung des Projektes in anderen Gemeinden.