387 Millionen für Prämienverbilligungen im Kanton Aargau – das müssen Sie jetzt wissen
Jedes Jahr entscheidet der Grosse Rat über die Höhe der Mittel, die der Kanton im kommenden Jahr (also diesmal für 2023) für Prämienverbilligungen zur Verfügung stellt. Das Ritual ist jedes Jahr dasselbe: Die Regierung stellt einen Antrag, SP und Grüne (diesmal mit der EVP) stellen eine höhere Forderung. Doch der Reihe nach:
237 Millionen vom Bund, 150 Millionen vom Kanton?
Für das Jahr 2023 ergaben die Berechnungen des Regierungsrats laut Botschaft an den Grossen Rat einen Gesamtbedarf von 387 Millionen Franken. Zieht man vom Gesamtbedarf den erwarteten Bundesbeitrag 2023 von 236,7 Millionen Franken ab, resultiere ein Kantonsbeitrag 2023 von 150,2 Millionen Franken. Dieser ermögliche, den im 2019 eingeschlagenen Kurs der besonderen Berücksichtigung der Familien und der Alleinstehenden «lückenlos fortzuführen, lässt aber trotzdem die weiterhin engen finanziellen Verhältnisse des Kantons nicht ausser Acht», so die Regierung.
In der gestrigen Debatte verlangte eine Minderheit von SP, Grünen und EVP, den Kantonsbeitrag um 46 auf 196 Millionen Franken aufzustocken.
SP: Kampf auf dem Buckel der materiell schlechter Gestellten
Der Arzt Jürg Knuchel (SP) seufzte in seinem Votum, der kantonale Anteil sei jedes Jahr neu «Spielball finanzpolitischer Auseinandersetzungen». Dieser Kampf werde auf dem Buckel der materiell schlecht Gestellten ausgetragen, so Knuchel. Es gehe so nicht weiter. Der untere bis mittlere Mittelstand sei durch die Krankenkassenprämien immer stärker belastet. Auch die SP will den Beitrag des Kantons um 46 Millionen Franken aufstocken, das sei ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Ebenso argumentierten die Sprecher der grünen und der EVP.
Wenn in Bern sogar der Bundesrat für eine Erhöhung sei, müsse doch was dran sein, sagte Nicola Bossard (Grüne) mit Blick auf die Debatte über einen Gegenvorschlag zu einer SP-Initiative. Es brauche mehr Mittel, «um die zu entlasten, die es wirklich nötig haben». Bossard nimmt Bezug darauf, dass die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats kürzlich einem substanziellen Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP zugestimmt hat. Als nächstes befindet dann der Nationalrat darüber.
SVP, FDP, Die Mitte und GLP setzen Regierungsvorschlag durch
Den Befürwortern einer Aufstockung der Mittel stand ein geschlossener, einstimmiger bürgerlicher Block gegenüber, von der SVP über die FDP, Die Mitte, GLP und EDU. Sie alle unterstützten den Antrag der Regierung. Stellvertretend sei auch hier ein Arzt zitiert. Tobias Hottiger (FDP), meinte, es gebe keine Notwendigkeit zur Anpassung nach oben. Im Aargau sei man bei der Belastung durch Krankenkassenprämien besser oder im Durchschnitt der Schweiz, rechnete er vor.
Und ja, national werde über einen indirekten Gegenvorschlag zu einer SP-Initiative zu Prämienverbilligungen diskutiert. Er sei aber nicht für einen vorauseilenden Gehorsam, sagte Hottiger. Er empfahl, abzuwarten, was der Bund oder allenfalls gar das Volk an der Urne dann tatsächlich entscheidet.
179’000 Aargauerinnen und Aargauer bekommen Prämienverbilligung
Die Bürgerlichen wehrten den Erhöhungsantrag von links mit 92 : 40 Stimmen ab. Danach war die Abstimmung über den Antrag des Kantons für 150 Millionen eine Formsache. Damit stehen nächstes Jahr insgesamt 387 Millionen Franken für Prämienverbilligungen bereit. Die Regierung geht davon aus, dass 24,7 Prozent der Bevölkerung von den Prämienverbilligungen profitieren werden, oder in absoluten Zahlen 179 300 Personen.
Soviel mehr würde der indirekte Gegenvorschlag den Aargau kosten
Im Aargau beträgt die durchschnittliche Prämienbelastung etwas über 14 Prozent. Damit ist er im unteren Drittel der Kantone. Käme der indirekte Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP zum Tragen, brächte dies im Aargau (gerechnet für das Jahr 2024) Mehrkosten für die Prämienverbilligung von 69 Millionen Franken.
2021 gab es durchschnittlich 1600 Franken pro berechtigte Person
Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hat die SVA Aargau laut ihrem Jahresbericht 365,1 Millionen Franken Prämienverbilligungen ausbezahlt. Die durchschnittlich gewährte Prämienverbilligung betrug rund 1600 Franken pro Person (inklusive Kinder und Jugendliche). Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, erhielten durchschnittlich rund 5000 Franken und Sozialhilfebeziehende rund 2800 Franken Prämienverbilligung pro Jahr.
10 556 säumige Versicherte auf der schwarzen Liste
Übrigens waren Ende 2021 auf der sogenannten schwarzen Liste 10’556 säumige Versicherte drauf. Das sind rund 1,5 Prozent der Bevölkerung. Kürzlich ist im Grossen Rat allerdings ein Vorstoss deutlich gutgeheissen worden, der zum Ziel hat, dass künftig nur noch Personen auf dieser Liste erscheinen, die nicht zahlen wollen. Personen, die nicht zahlen können, sollen nicht mehr auf die Liste. Der Rat erhofft sich davon eine Halbierung der von der Liste Betroffenen.