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400 Psychotherapeuten dürfen künftig selber abrechnen – das soll die langen Wartezeiten für Patienten im Aargau verkürzen

Bisher mussten Kranke teilweise monatelang warten, bis ein Platz bei einer Psychotherapeutin frei wurde. Jetzt soll ein neues Abrechnungsmodell die Situation verbessern: Künftig dürfen Psychotherapeuten ihre Leistungen direkt über die Grundversicherung abrechnen.

Die Situation war schon vor Corona kritisch, aber die Pandemie hat das Problem noch einmal drastisch verschärft: Im Aargau gibt es zu wenige Kapazitäten bei Psychologen und Psychiaterinnen. Selbst wer dringend eine Behandlung benötigt, muss teilweise mit wochen- bis monatelangen Wartezeiten rechnen.

Nun könnte sich das Problem im Aargau aber durch ein neues Gesetz auf Bundesebene entschärfen: Ab dem 1. Juli dürfen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten selbstständig tätig sein und ihre Leistungen direkt über die Grundversicherung abrechnen. Das war bisher nicht möglich.

Abrechnung neu über die Grundversicherung

Bis anhin mussten sich Psychotherapeutinnen einer psychiatrischen Praxis oder einer Hausärztin anschliessen, um über die Grundversicherung abrechnen zu dürfen. Selbstständig konnten sie, wenn überhaupt, ihre Leistungen lediglich über die Zusatzversicherung verrechnen.

Das führte dazu, dass nicht alle Therapieplätze, die es im Aargau gab, auch tatsächlich für alle Betroffenen zugänglich waren. Denn: Eine Stunde bei einer Psychotherapeutin kostet zwischen 130 und 200 Franken – ein grosser Betrag, wenn die Krankenkasse sich nicht an den Kosten beteiligt.

Mit der neuen Regelung, dass ab Anfang Juli alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über die Grundversicherung abrechnen dürfen, wird die Zahl der für alle Betroffenen verfügbaren Plätze steigen. Wie stark, ist allerdings unklar. Erfasst werden bisher lediglich jene Ärztinnen und Psychiater, die über die Grundversicherung abrechnen – ihnen angeschlossene Therapeutinnen werden nicht registriert.

400 Therapeutinnen und Therapeuten im Aargau

Allerdings weiss man, wie viele Therapeuten in Zukunft selbstständig arbeiten möchten – denn sie müssen alle ein Gesuch beim Kanton stellen. Bisher sind 200 solche Gesuche eingegangen, mit noch einmal 200 rechnet der Krankenkassenverband Santésuisse bis Ende Jahr. Das wären gesamthaft 400 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die ihre Leistungen ab Januar 2023 über die Grundversicherung abrechnen könnten. Michael Hassler, Sprecher des kantonalen Departements Gesundheit und Soziales, sagt:

«Wir gehen davon aus, dass die Abschaffung des bisherigen Modells zu kürzeren Wartezeiten führen wird.»

Das neue Abrechnungsmodell wird auch die Situation für die Therapeutinnen verändern, die bisher bei einer Praxis angeschlossen waren. «Die Psychotherapeutinnen waren sehr abhängig von den Psychiatern, denen sie angeschlossen waren – er entschied beispielsweise, wie viel von dem Betrag, den die Krankenkasse zahlte, weitergegeben wurde. Dagegen konnten die angeschlossenen Psychotherapeutinnen wenig tun», erklärt Michael Müller, Sprecher von Santésuisse. «Das neue System bringt den Therapeuten mehr Autonomie.»

Allerdings, so Müller weiter, werde das neue System auch zu höheren Kosten führen. «Wir rechnen mit mehr Anbietern, weshalb die Kosten steigen dürften – für alle Prämienzahlerinnen und Prämienzahler», so Müller. Der Bund rechnet schweizweit mit einem Mehrbetrag von rund 170 Millionen Franken – für den Aargau gibt es keine Prognose.