Expertin zur Ukraine-Hilfe: «Unterstützen Sie am besten ein Hilfswerk, das bereits Erfahrung mit Arbeit in Kriegsgebieten hat»
Fast eine Million Menschen sind gemäss neuesten Angaben der UNO auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine. Die Flüchtenden haben oft alles zurückgelassen und benötigen sofort Hilfe. Wer helfen will, sollte aber einige Punkte beachten, damit die Hilfe auch wirklich bei den Bedürftigen ankommt.
Die Stiftung Zewo mit Sitz in Zürich steht für ethisches und wirtschaftliches Fundraising und verleiht ihr Gütesiegel an Spenden sammelnde Organisationen. Geschäftsleiterin Martina Ziegerer gibt Auskunft darüber, was Spenderinnen und Spender beachten müssen.
Worauf muss ich grundsätzlich achten, wenn ich helfen will?
Die Solidarität und Hilfsbereitschaft für die Menschen aus der Ukraine ist gross. Appelle und Aufrufe zur Mithilfe gibt es auf den verschiedensten Kanälen. «Es ist nicht ganz einfach, sich da einen Überblick zu verschaffen», sagt Martina Ziegerer von der Spenden-Stiftung Zewo. Gerade das aber sei wichtig, so Ziegerer. Man müsse diejenigen Hilfsorganisationen auswählen, die in Krisengebieten auch tatsächlich Hilfe leisten können. Nur so können notleidende Menschen effektiv unterstützt werden.
An welche Organisationen sollte man spenden?
Die Lage im Kriegsgebiet ist gefährlich und unübersichtlich. «Deshalb sollte man am besten ein Hilfswerk unterstützen, das bereits Erfahrungen mit der Arbeit in Kriegsgebieten hat», sagt Ziegerer. Ein Hilfswerk also, das vor Ort bereits ein bestehendes Netzwerk hat, wie beispielsweise die Caritas oder das Rote Kreuz. Darüber hinaus gibt es auch Hilfswerke, die an der Grenze zu Polen operieren und die Aufnahme und Versorgung der Flüchtenden betreuen.
Auf der Website der Stiftung finden Spenderinnen und Spender zudem eine Liste mit von Zewo geprüften Organisationen, die zur Zeit Spenden für die Nothilfe in der Ukraine sammeln. Dort finden sich Links zu Informationen, was die Organisation genau macht und wofür man spenden kann. Gegenwärtig sind zehn zertifizierte Organisationen aufgelistet, an welche man für die Menschen in der Ukraine spenden soll. Darunter befinden sich unter anderem das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) sowie Caritas, Terre des hommes und Helvetas. Die Liste wird ständig aktualisiert, «denn die Situation in der Ukraine ändert sich laufend», so Ziegerer.
Welche Art der Spende ist gegenwärtig sinnvoll?
Die Hilfsorganisationen bitten im Moment um Geldspenden. Und das macht auch Sinn: «Geldspenden sind flexibler, da sie so eingesetzt werden können, wie sie vor Ort im Moment benötigt werden», sagt Ziegerer. «Bei Sach- oder Warenspenden ist immer eine aufwendige Logistik dahinter.» Die Güter müssen gesammelt, gereinigt, transportiert und vor Ort wieder verteilt werden. «Das sind aufwendige Prozesse, die gegenwärtig nicht sinnvoll sind.» Hilfswerke würden gerade jetzt von Anfragen für Sachspenden überschwemmt, die sie momentan jedoch nicht entgegennehmen. «Deshalb machen Geldspenden an ein vertrauenswürdiges Schweizer Hilfswerk am meisten Sinn.» Diese Hilfswerke haben ein bestehendes Netzwerk vor Ort und in den Grenzgebieten der Anrainerstaaten der Ukraine.
Was sollte im Moment vermieden werden?
«Es gibt leider – neben allen aufrichtigen Aufrufen zur Hilfe – auch Appelle, welche die Hilfsbereitschaft der Menschen ausnutzen wollen», sagt Martina Ziegerer. Hier sei es insbesondere ein Problem, wenn nicht klar sei, wer hinter einer Organisation steckt. Auch bei privaten Initiativen sollte man genau hinschauen, wenn man eine Spende erwägt. Am besten sei es, so Ziegerer, wenn man die jeweilige Person, die zu Material- und Güterspenden aufruft, selber kennt, wenn diese einen persönlichen, direkten Kontakt in die Ukraine hat und deshalb weiss, was wo gebraucht wird. Man sollte also einschätzen können, ob die Person vertrauenswürdig ist und die Hilfe auch wirklich vor Ort organisieren kann. «Es gibt Privatpersonen, die zwar einen guten Willen haben, aber nicht die nötigen Kontakte und Kenntnisse und damit die versprochene Hilfe letztlich gar nicht leisten können.»
Welche Warenspenden sind sinnvoll?
In der momentanen Lage werden die Spenden vor allem für die Nothilfe für die im Land nach Westen flüchtenden Menschen und die in den Nachbarländern ankommenden Flüchtlinge eingesetzt. Warmes Essen, sauberes Trinkwasser, Hygieneartikel, Medikamente und sichere Unterkünfte sowie Schlafplätze sind deshalb am meisten gefragt. Dazu kommt die psychosoziale Betreuung von traumatisierten Menschen und speziell auch Kindern auf der Flucht, die es gegenwärtig braucht. «Das sind die Dinge, welche die Hilfswerke vor Ort im Moment leisten können», sagt Ziegerer. Aber auch die Hilfe durch die Organisationen sei natürlich nur erschwert möglich, da es in der Ukraine sehr gefährlich sei.
Worauf muss ich achten, wenn ich selbst eine Hilfsaktion auf die Beine stellen will?
Die Motivation, der Ukraine zu helfen, ist bei vielen Menschen gross. Hilfe in ein Krisengebiet zu bringen ist jedoch auch mit grossen Hindernissen verbunden, denen sich eine Spenden sammelnde Person bewusst sein muss. «Man muss realistisch bleiben und sich überlegen: Kann ich das?», sagt Ziegerer. Man braucht Lagerräume, Transportmöglichkeiten, eine Liste mit Gütern und das Wissen, was genau an welchem Ort benötigt wird. «Das muss man sich alles schon im Vorfeld überlegen. Sonst kann es nicht umgesetzt werden, weil es die eigenen Kapazitäten überfordert.» Wenn man aber punktuell in seinem persönlichen Netzwerk Spenden sammle, könne das sehr sinnvoll sein, gerade auch wenn man Kontakt zu einer Hilfsorganisation hat.
Welche Organisationen gibt es im Aargau?
Auch im Kanton Aargau können in allen Bezirken und an zahlreichen Orten Hilfsgüter gespendet werden. Die grössten Sammelaktionen finden Sie in unserem Übersichtsartikel.