Sie sind hier: Home > Wirtschaft > Kühler Empfang für den neuen Raiffeisen-Präsidenten

Kühler Empfang für den neuen Raiffeisen-Präsidenten

Thomas Müller erhält nur 76 Prozent Zuspruch. Sein Vorgänger Guy Lachappelle war bei seiner Wahl ebenfalls nicht unumstritten, hatte aber 2018 trotzdem ein «überwältigendes Mehr» erreicht. Im Raiffeisen-Universum gibt es offensichtlich tiefe Gräben des Misstrauens.

Die Delegierten der 219 Raiffeisen Banken haben Thomas Müller zum neuen Verwaltungsratspräsidenten der Raiffeisen Schweiz bestimmt. Der 56-jährige Ostschweizer, der schon seit 2018 im Verwaltungsrat der Dachorganisation der Bankengruppe sitzt, erreichte eine Zuspruchquote von 76 Prozent. Das von Raiffeisen erstmals im Detail offengelegte Wahlergebnis zeigt die Kraft der Opposition, die sich im Vorfeld der Wahl gegen Müller gebildet hatte.

Der Cum-ex-Skandal wirkt nach

Müller war 2010 Finanzchef der Basler Privatbank Sarasin geworden. Zu jenem Zeitpunkt war die Bank bereits tief in Cum-ex-Geschäfte mit deutschen Banken verwickelt, über die derzeit verschiedene deutsche Gerichte befinden. Unter anderem hatte Sarasin über Jahre hinweg Scheinrechnungen an die Adresse der Hamburger Privatbank Warburg in Höhe von über 20 Millionen Euro ausgestellt, mit dem Ziel die Steuerhinterziehung zu verschleiern. Die Opposition gegen Müller bildete sich unter anderem auf diesem Hintergrund.

Der Raiffeisenbanken-Rat konnte Müller auch nicht helfen

Dem Raiffeisenbanken-Rat ist es offensichtlich nicht gelungen, eine grössere Unterstützung für Müller zu gewinnen. Der Rat hat die Aufgabe, die Mitsprache Mitgliedsbanken bei wichtigen Fragestellungen der Zentrale zu verankern. Er war geschaffen worden, nachdem der vormalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz seine Machtfülle missbraucht hatte. Vincenz ist wegen gewerbsmässigen Betrugs angeklagt und muss sich im Januar einem Gerichtsprozess in Zürich stellen.

Auch Guy Lachappelle war bei seiner Wahl 2018 nicht unumstritten

Müllers Vorgänger Guy Lachappelle hatte im Sommer dieses Jahres seinen Hut genommen, nachdem er im Zug einer ausserehelichen Liebesaffäre unter den inzwischen offiziell ausgeräumten Verdacht eines Geheimnisverrats geraten war. Auch Lachappelle war bei seiner Wahl zum Raiffeisen-Präsidenten im November 2018 nicht unumstritten.

Er war in den Jahren 2010 bis 2013 Firmenkundenchef der Basler Kantonalbank gewesen. Just in jenen Jahren fungierte die Bank als Depotstelle für die betrügerische Fricktaler Investmentfirma Ase. Diese hatte mehr als 2000 Kunden im Schneeballsystem in halsbrecherische Devisenspekulationen gelockt, um am Ende mit 170 Millionen Franken Verlust zusammenzubrechen.

Der damalige Chef der Bank, Hans-Rudolf Matter, musste gehen. Lachappelle übernahm seinen Posten. Er musste über seine Raiffeisen-Wahl hinaus mit dem Verdacht einer Mitschuld leben. Trotzdem wurde Lachappelle im November 2018 von den Raiffeisen-Delegierten mit «überwältigendem Mehr» zum Präsidenten gewählt, wie es in der damaligen Medienmitteilung hiess. Vor diesem Hintergrund sieht das Wahlergebnis des neuen Präsidenten Thomas Müller umso dürftiger aus.

Ein Klima des Misstrauens im Raiffeisen-Universum

Offensichtlich haben die diversen Skandale und Pannen im Universum der drittgrössten Schweizer Bankengruppe ein Klima des Misstrauens gefördert. Für eine Wertung von Müllers Abstimmungsergebnisses wollte sich bei Raiffeisen niemand zur Verfügung stellen. Die Bankengruppe wird ihre Governance-Strukturen noch einmal gründlich überdenken müssen.