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Lehren aus Corona: Bessere Zusammenarbeit und eine Altersvorsorge für Kulturschaffende

Bundesrat Alain Berset skizzierte am Filmfestival in Locarno die Eckpunkte der neuen Kulturpolitik des Bundes für die Jahre 2025 bis 2028.

Die Piazza war am Eröffnungsabend rappelvoll, 8000 wollten sehen, wie sich Brad Pitt zwischen Tokyo und Kyoto durch einen japanischen Schnellzug prügelte. Das Fazit von Kulturminister Alain Berset: «Das Publikum ist zurück», jedenfalls bei den Festivals.

Anders ist die Situation in den Kinosälen, die noch immer unter einem massiven Einbruch bei den Eintritten leiden. Ein Problem, aber nicht nur eines für die Kinobetreiber, wie Berset am Donnerstag vor den Medien in Locarno betonte. Zu stark sind die verschiedenen Akteure der Schweizer Filmbranche aufeinander angewiesen. «Hat einer ein Problem, dann hat die ganze Branche ein Problem.»

Eine Lösung konnte die neue Chefin des Bundesamtes für Kultur (BAK), Carine Bachmann, noch nicht präsentieren. Sie signalisierte jedoch Bereitschaft für Gespräche mit von der Kinokrise betroffenen Gemeinden und Kantonen. Sie stellte auch klar, dass der Bund nicht die Rechnung für die strukturelle Erhaltung der heutigen Kinolandschaft übernehmen wolle.

Neue Kulturbotschaft soll Abhilfe schaffen

Der Wandel bei Produktion und Konsumation, der sich beim Film am deutlichsten manifestiert, trifft letztlich die gesamte Kulturbranche. Der Wandel wurde durch die Corona-Krise beschleunigt, Defizite wurden sichtbar. Deshalb will der Bund nun seine Kulturpolitik neu justieren, wie Berset ausführte. Die Kulturbotschaft 2025 bis 2028, die derzeit erarbeitet wird und Anfang nächstes Jahr in die Vernehmlassung kommt, enthält sechs zentrale Eckpunkte:

– Flexibilisierung der Fördersysteme

– Bewältigung des digitalen Wandels

– Verbesserung der Arbeitsbedingungen

– Umgang mit dem Kulturerbe

– Nachhaltigkeit

– Zusammenspiel der verschiedenen Förderinstrumente

Nebst dem unumgänglichen Bekenntnis zur Nachhaltigkeit, das in keinem Papier aus Bundesbern mehr fehlen darf, und dem Umgang mit dem Kulturerbe, das auch als Reaktion auf den Umgang mit der umstrittenen Bührle-Sammlung gedeutet werden kann, lassen sich die anderen Punkte als Bekenntnis zu mehr Koordination zwischen allen Förderinstanzen von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie Privaten lesen, einer klareren Rollenverteilung sowie zu einer besseren und effizienteren Förderpolitik.

Und dann bleibt noch eine schmerzhafte Erfahrung aus der Pandemie: nämlich, dass freischaffende Künstlerinnen und Künstler in ein finanziell extrem prekäres Leben führen. Für viele heisst es: Ohne Auftritt, kein Einkommen. Viele können nicht für die Zukunft vorsorgen. So hat ein Drittel der selbstständig erwerbenden Kulturschaffenden gemäss BAK nebst der AHV keine Altersvorsorge. Die Problematik freilich ist nicht neu, Corona hat sie aber für alle sichtbar gemacht. Berset jedenfalls will hier jetzt Abhilfe schaffen.

Überlebt haben viele letztlich nur dank vielen, unterschiedlichsten Corona-Fördertöpfen. «Ziel war es, dass wir nicht etwas verlieren, dass nicht verloren gehen darf», sagte Berset. Das ist wohl gelungen – vorerst.