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In 15 Jahren ist die Hälfte aller Bauern pensioniert: Deren Nachfolger sollen die Landwirtschaft ökologischer machen 

Die grösste Naturschutzorganisation der Schweiz will den Generationenwechsel auf Bauernhöfen nutzen, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Statt per Stichdatum sollen Anpassungen künftig spätestens bei der Hofübergabe fällig werden. 

Jeder zweite Bauer, der einen eigenen Betrieb führt, wird in den nächsten 15 Jahren das Rentenalter erreichen. Und das sind mit rund 25’000 Betriebsleitern nicht wenige. Zwar könnten sie alle den Hof auch über die Pension hinaus weiterführen, doch ab dem 66. Lebensjahr entfällt die Berechtigung für Direktzahlungen. Die Folge: Wer keinen Nachfolger findet, muss den Landwirtschaftsbetrieb stillgelegen. Das wiederum befeuert den seit Jahren anhaltenden Strukturwandel in der Landwirtschaft: Die Zahl der Betriebe sinkt, die Fläche pro Betrieb steigt.

Die bevorstehende Pensionierungswelle bei den Landwirten nimmt die Naturschutzorganisation Pro Natura nun zum Anlass, einen Weg aufzuzeigen, wie die Agrarpolitik «ökologisch und sozialverträglich transformiert» werden kann. In einem knapp 50-seitigen Bericht legt der Verband dar, wie der anstehende Generationenwechsel als «ökologische Chance» genutzt werden können.

Ziel: Weniger Tiere, weniger Pestizide

Marcel Liner, Leiter Landwirtschaftspolitik bei Pro Natura, erklärt: «Künftig sollen Anpassungen aufgrund politischer Entscheide nicht nur per Stichdatum umgesetzt werden müssen, sondern auch beim Generationenwechsel.» Dadurch könne sich die nachfolgende Generation frühzeitig auf neue Rahmenbedingungen einstellen und so dafür sorgen, dass der Betrieb die «Tragfähigkeit der Ökosysteme» nicht überschreitet. Unter dem Begriff versteht man die maximale Zahl an Pflanzen und Tieren, die in einem Lebensraum existieren können, ohne diesen zu schädigen.

Liner ist überzeugt: «Eine Hofübergabe ist der ideale Zeitpunkt, um zum Beispiel Nutztiere aus dem Betrieb zu nehmen oder beim Obstbau auf eine pestizidfreie Produktion umzustellen.» Im Bericht listet Pro Natura weitere mögliche Vorgaben auf, welche im Rahmen von Hofübergaben umgesetzt werden könnten: So soll nur noch Direktzahlungen erhalten, wer Milch für die inländische Versorgung produziert, weniger Dünger ausbringt, biologisch wirtschaftet, seinen Tiere nur betriebseigenes Futter verfüttert oder seinen Betrieb gänzlich von der tierischen auf pflanzliche Produktion umstellt.

Wichtig sei, dass die Vorgaben «dem Standort angepasst werden», so Liner. In der Bergzone seien Nutztiere gut aufgehoben, in der Talzone hingegen mache es keinen Sinn, das produzierte Getreide zuerst den Tieren zu verfüttern. Hier lohne sich ein Umstieg auf die Produktion von Nahrung, die direkt vom Menschen verzehrt werden kann.

Höhere Steuern auf tierische Produkte?

Liner betont: «Die ökologischen und sozialen Herausforderungen im Landwirtschaftssektor lassen sich nicht allein über den Generationenwechsel lösen.» Er fordert zusätzliche Massnahmen. So sollen unter anderem jene Subventionen gestrichen werden, die die Biodiversität schädigen. Auch die Absatzförderung könnte man laut Liner auf bestimmte Produkte eingrenzen. Potenzial sieht der Agrarpolitik-Verantwortliche auch in der Erhöhung der Mehrwertsteuersätze – «beispielsweise auf tierische oder im Ausland hergestellte Produkte».

SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel ist Präsidentin von Pro Natura.
Bild: Keystone

Laut Ursula Schneider Schüttel, Präsidentin von Pro Natura, soll mit dem Bericht endlich die Blockade in der Agrarpolitik aufgebrochen werden: «Wir müssen jetzt die Weichen Stellen für die Zukunft.» Die Nationalrätin (SP/FR) ist sich bewusst, dass solche Massnahmen einigen Branchen weh tun werden.

Doch der Handlungsbedarf sei angesichts der Biodiversitäts- und Klimakrise gross, die Zeit dränge, der Druck auf die Landwirtschaft steige. Schneider Schüttel will denn auch nicht einfach auf eine Änderung des Konsumverhaltens warten: «Wir können nicht einfach den Konsumentinnen die Verantwortung übergeben, schliesslich orientieren sie sich bei der Auswahl der Produkte auch am Preis.» Und dieser hänge stark von politischen Entscheiden ab.