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Bauern verdienen Geld mit Kampf gegen Klimawandel: Sie speichern Treibhausgas in den Feldern

Die abnehmende Fruchtbarkeit der Böden ist ein grosses Problem. Nun erhalten Bauern Geld, wenn sie die Humusschicht vergrössern. Das ist auch fürs Klima gut.

Der Acker im thurgauischen Wetzikon ist bereit für die Mais-Aussaat. Zwei Jahre lang ist hier Wiese gewachsen. Nun hat Bauer Roman Anderegg gemäht, das Gras geerntet und die Stoppeln untergepflügt. So wird der Boden gelockert und die Mikroorganismen erhalten Nährstoffe. Die Maispflanzen wird Anderegg ausserdem mit Gülle und Mist von seinen 45 Kühen, 20 Rindern und 2000 Legehennen düngen.

Zusätzlich hat er Pflanzenkohle in den Boden eingearbeitet, die er aus Holz vom eigenen Wald herstellt. All diese Massnahmen tragen dazu bei, den Humusgehalt der Böden zu erhöhen und Kohlenstoff zu speichern.

Der Bauer stellt selber Pflanzenkohle für mehr Humus her.
Tobias Garcia

«Ich setze mich schon länger mit dem Thema Humus auseinander», sagt der 41-Jährige, der den Hof vor gut zehn Jahren vom Vater übernommen und auf biologischen Landbau umgestellt hat. «Damit wir langfristig Lebensmittel produzieren können, ist es wichtig, dass die Böden fruchtbar bleiben.» Seit einem Jahr nimmt Anderegg an einem Projekt teil, bei dem die Kohlenstoff-Speicherung gemessen wird. Gelingt es ihm, den Gehalt im Boden über die nächsten zehn Jahre zu erhöhen, wird er dafür entschädigt.

Weg vom Image des Umweltsünders

Das Programm Tima Carb wurde von der Firma Timac Agro lanciert, die zum französischen Agrokonzern Roullier-Gruppe gehört. In der Schweiz beteiligen sich zurzeit rund 40 Höfe – sowohl konventionelle, als auch Bio- und Demeterbetriebe.

«Landwirte haben die Möglichkeit, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Alle anderen produzieren es nur», erklärt Projekt-Mitarbeiter Andreas Kappeler. «Landwirte gelten häufig als Umweltsünder. Wir geben ihnen eine Gelegenheit zu zeigen, dass sie etwas für das Klima tun.»

Der Schwund der fruchtbaren Humusschicht auf intensiv bewirtschafteten Feldern ist ein grosses Problem. Langfristig ist die Produktion von Nahrungsmitteln bedroht. Die oberste Schicht der Erde besteht aus rund 45 Prozent mineralischem Material – also aus verwittertem Gestein. Weitere 50 Prozent sind Wasser und eingeschlossene Luft. Nur die restlichen 5 Prozent – im besten Fall – macht der Humus aus. Dabei handelt es sich um organische Substanz aus verrotteten pflanzlichen und tierischen Überresten. Milliarden von Würmern, Käfern, Mikroorganismen und Pilzen bauen diese Stoffe zu immer kleineren Partikeln ab. Die Humusschicht hält ­Böden fruchtbar und fördert die Biodiversität. Zudem kann mehr Wasser gespeichert werden. Ein wachsender Humusanteil ist gut gegen die Klimaerwärmung, denn Humus besteht zu rund 60 Prozent aus Kohlenstoff: Pflanzen ziehen für die Fotosynthese Kohlendioxid (CO₂) aus der Luft, den Sauerstoff (O₂) geben sie wieder ab, während sie den ­Kohlenstoff (C) fürs Wachstum benötigen. Doch bei etwa 6 Prozent Humus-Anteil ist Schluss: Um mehr aufzubauen, müsste man gigantische Mengen an organischer Substanz zufügen. Zudem würde es den meisten Böden an Tonpartikeln und ­Kalzium fehlen, welches das organische Material mit dem Ton verbindet. (as)

Zu Beginn wird der Humus-Anteil mittels Bodenproben gemessen: Die Erde wird verbrannt und die mineralische Substanz bleibt übrig. Das organische Material – der Humus – kann so berechnet werden. Von Auge sind humusreiche Böden an der dunklen Farbe zu erkennen. Roman Anderegg startete mit 3,5 Prozent – eine gute Ausgangslage. Gemüsebetriebe mit intensiver Bewirtschaftung bringen es teilweise lediglich auf 1,5 Prozent. Sehr humusreiche Böden erreichen 5 bis 6 Prozent.

Nach fünf und nach zehn Jahren wird an den gleichen Stellen erneut gemessen. Hat sich der Boden verbessert, stellt eine deutsche Partnerfirma CO2-Zertifikate aus, die vom ETH-Spin-off Southpole verkauft werden. So können Konzerne wie Nestlé, die klimaneutral werden wollen, ihre Emissionen kompensieren.

Würmer und Pilze arbeiten für uns

Roman Anderegg schätzt, dass er mit seinen 30-Hektaren in fünf Jahren so etwa 5000 Franken erhalten könnte. Das Geld sei keinesfalls der wichtigste Anreiz zum Mitmachen, beteuert er. «Ich schätze die gute Beratung. Ich kann ja nicht überall Experte sein.»

Als Biobauer darf er keinen Kunstdünger einsetzen. Eine Alternative bieten die Produkte der Roullier-Gruppe – etwa ein organischer Dünger aus Schlachtabfällen wie Horn und Leder oder Kalk aus dem Meer. Das darin enthaltene Kalzium sei wichtig, um organische Substanzen an die im Boden vorhandenen Tonpartikel zu binden, erklärt Andreas Kappeler.

Statt Kunstdünger helfen die Kühe mit ihrem Mist beim Düngen.
Tobias Garcia

Die Bodenbiologie sei ein noch wenig erforschtes Gebiet, sagt der Agronom, der selber auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. «Wir wissen wahrscheinlich erst etwa 5 Prozent über das Zusammenspiel der Würmer, Pilze, Einzeller, Algen und anderen Mikroorganismen.» Mit dem Programm Tima Carb wolle man das Know-how stetig verbessern, erklärt er. Ein weiteres Ziel ist, den Einsatz von Kunstdünger zu reduzieren. Die Herstellung von mineralischem Dünger benötigt viel Energie.

Roman Anderegg ist überzeugt, dass junge, innovative Bauern mit mehr Fachwissen künftig dieselbe Menge an Nahrungsmitteln auf ökologischere Weise produzieren können. Der Aufbau der Humusschicht brauche aber viel Geduld, sagt er. «Ich mache das auch für meine Kinder.»