Der Bundesrat will, dass die Bevölkerung gesünder isst: Diese Nahrungsmittel empfiehlt er, diese «streicht» er
Vom Feld bis auf den Teller: Der Bundesrat vollzieht einen Paradigmenwechsel. Er nimmt im Bericht zur «zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik» nicht mehr länger nur die Landwirtschaft in die Pflicht, sondern verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Zur grossen Freude des Bauernverbands: Dieser begrüsst, dass die «heute einseitig auf die Landwirtschaftsbetriebe fokussierte Agrarpolitik unter das Dach einer Ernährungsstrategie gestellt wird».
Doch was ändert sich dadurch? Der Bundesrat fordert auf dem Weg zu einer «nachhaltigeren Land- und Ernährungswirtschaft» künftig auch das Engagement von Zulieferern, Händlerinnen, Gastronomen und Konsumentinnen ein. Besonders Letztere sollen dereinst einen massgeblichen Beitrag zur Reduktion des ökologischen Fussabdrucks der Ernährung leisten.
So zeigt sich Landwirtschaftsminister Guy Parmelin am Donnerstag vor den Medien denn auch überzeugt: «Die Landwirtschaft alleine kann nicht alles ändern. Letztlich entscheiden wir als Konsumenten, was die Bauern produzieren.» An diesem Punkt setzt die Agrarpolitik-Strategie des Bundesrates an. Sie verfolgt das Ziel, bei stabilem Selbstversorgungsgrad die Treibhausgasemissionen in der landwirtschaftlichen Produktion bis Mitte des Jahrhunderts um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Gleichzeitig soll die Lebensmittelverschwendung bis 2050 um drei Viertel sinken.
Schweizer sollen gesünder essen
Zu diesem Zweck hat der Bundesrat vier Stossrichtungen definiert, wobei sich eine direkt an die Bevölkerung richtet. «Die Ernährung der Schweizer Bevölkerung ist unausgewogen und verbunden mit einem grossen ökologischen Fussabdruck», heisst es im Bericht. Deshalb hält der Bundesrat Herr und Frau Schweizer an, sich beim Essen künftig an den Empfehlungen der Lebensmittelpyramide zu orientieren. Heisst konkret: Weniger Fleisch, Alkohol und Süsses, mehr Früchte, Gemüse und Milchprodukte. Damit könne die Umweltwirkung des Konsums halbiert werden, schreibt der Bundesrat weiter.
Damit dereinst nur noch nachhaltige und im Optimalfall regional erzeugte Produkte im Einkaufskorb der Konsumentinnen und Konsumenten landen, sieht der Bundesrat verschiedene Massnahmen vor. So will er einerseits die Transparenz erhöhen: Wer beispielsweise einen Apfel kauft, soll auf einen Blick erkennen können, wie und wo dieser produziert wurde und welche Umweltwirkungen damit verbunden sind.
Andererseits will der Bundesrat Kostenwahrheit erreichen. Bedeutet: Kosten zulasten der Umwelt – sogenannte externe Kosten – sollen im effektiven Preis abgebildet werden. Gut möglich also, dass ein konventionell hergestellter Apfel in zehn Jahren mehr kostet als ein Bio-Apfel. Die beiden Massnahmen sollen die nachhaltige Wahl beim Einkauf erleichtern und dafür sorgen, «dass wir uns der Auswirkungen unseres Konsums bewusst werden», so Parmelin.
Der Schweizerische Konsumentenschutz begrüsst diese Stossrichtung, hält aber in einer Mitteilung fest: «Heute sind nachhaltige Produkte oft überteuert und in den Läden unvorteilhaft platziert.» Es brauche deshalb verpflichtende Branchenvereinbarungen, die festlegen, wie Nahrungsmittel im Detailhandel und in der Gastronomie gekennzeichnet werden müssen. Zudem fordert der Konsumentenschutz vollständige Transparenz bei der Preis- und Markengestaltung, «insbesondere bei Fleisch- und Labelprodukten».
Besser Milch als Fleisch
Gelingt es tatsächlich, die Bevölkerung zu einer gesünderen, nachhaltigeren Ernährung zu bewegen, hätte das wiederum Folgen für die inländische Produktion: Der Fleischkonsum würde stark zurückgehen, jener von Milch, Obst und Nüssen steigen. Der Bundesrat empfiehlt den Landwirten deshalb schon jetzt, auf der Ackerfläche vermehrt Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung anzubauen.
Zur Milch- und Fleischproduktion soll das Dauergrünland – es macht mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus – genutzt werden, wobei die Milchproduktion aus Effizienzgründen zu bevorzugen sei. Mit dieser Empfehlung reagiert der Bundesrat auch auf die Tatsache, dass in der Schweiz aktuell weniger als 40 Prozent der Ackerfläche zur Produktion von menschlicher Nahrung verwendet wird, gleichzeitig haben sich die Futtermittelimporte in den letzten zwanzig Jahren nahezu verdoppelt.
Mit seinem am Donnerstag veröffentlichten Bericht macht der Bundesrat den Weg frei für die Wiederaufnahme der Beratungen zur bis anhin sistierten Agrarpolitik 2022+ im National- und Ständerat. Diese beginnen am Montag mit der Debatte in der Wirtschaftskommission des Ständerats.